Einige Gedanken zum zweiten Abschnitt von „Die Quest“, an besonderen Reisenden festgemacht. Im Mai 1859 starben zwei markante Persönlichkeiten, in deren Leben das Reisen und das Suchen enormes Gewicht hatten. Wissensgewinn. Erkenntnisgewinn. Der Begriff einer Quest läßt sich auf beide anwenden.
Die größere Reichweite entfaltete in seiner Wirkung ohne Zweifel Alexander von Humboldt. Er war außerdem zu sich selbst vollkommen schonungslos; und zwar über jenes Maß hinaus, das damals eine weitere Reise ohnehin an Strapazen bedeutete. Darin hat er etwas, das an antike Figuren erinnert; in der Unrast eines Odysseus.
Auf beide Suchende trifft zu, daß sich die (westliche) Welt tatsächlich wandelte, als sie mehrfach zurückkamen; nicht zuletzt in Resonanz mit den Früchten dieser Reisen.
Auch Johann von Österreich, ein Erzherzog mit abenteuerlicher Biographie, setzte solche Spuren, war von grenzenloser Wißbegier und führte umfassende Aufzeichnungen über seine Reisen, über seine Eindrücke. Man muß sein Werk und das von Humboldt nicht gegeneinander stellen, die Gewichtsunterschiede sind evident. Aber es geht da wie dort Inspiration von diesen Geschichten aus.
Mich fesseln grade die symbolischen Berührungspunkte am Dasein und Wirken unruhiger Geister, die damals zu denken vermochten, was erst von wenigen gedacht wurde. Menschen, die sich zügig auf das zubewegten, was noch nicht gedacht werden konnte.
Anders ausgedrückt, sie dachten und handelten energisch über das hinaus, was in den Kreisen ihrer Herkunft Konvention und Glaubensgrundsatz, was damals Selbstverständnis von vielen Aristokraten war.
Bei Humboldt dürfte ein deutlicher Bezugspunkt des Kontrastes vielleicht vor allem seine Mutter gewesen sein, bei Erzherzog Johann auf jeden Fall sein Bruder, der Kaiser. Als hätten sie jeweils in einer anderen Welt gelebt. (Na, vielleicht war genau das ja auch der Fall.)
Das Be-reisen und Be-greifen, die Begegnungen mit unbekannten Menschen, die persönliche Anschauung des davor noch nicht Geschauten, das sind Momente der Quest. Diese Aspekte von Vorgängen in denen stets Veränderung liegt. Dieser Mut, Veränderung zu suchen, statt zu meiden.
Ich nehme hier nicht für uns selbst Maß, für unser Projekt, denn die Leistungen dieser Männer übersteigen alles, was ich aus eigener Begegnung oder eigener Anstrengung kenne. Es gibt natürlich noch heute Männer und Frauen, die sich individuell solche Dimensionen erschließen. Ich denke, das ist Teil der Conditio humana und muß uns nicht überraschen. Die Kontinuität solcher Anstrengungen ist unter Menschen seit der Antike ungebrochen; auch in ihren Einflüssen auf uns.
So sind die beiden Reisenden, Humboldt und Johann, attraktive Referenzpunkte in der Tiefe der näheren Geschichte, wo grade alles umbrach, zu entstehen begann, was uns heute umgibt; jene Zustände und Umstände, die sich ihrerseits gerade in einer nächsten Phase der radikalen Umbrüche befinden, von denen wir schon erfaßt wurden.
Darin sind wir nun alle Reisende, ob wir wollen oder nicht, und selbst wer sich festkrallen wollte, wäre derzeit zum Reisenden geworden, weil sich die Erde, in die man sich festkrallen könnte, bewegt, weil sie – wie angedeutet – umbricht.
Siehe dazu, ergänzend, die Textversion „Zwischen Brandhof und Puchwerk“ zum Projekt „Mensch und Maschine“: [link]
— [Die Quest] [Aprilfestival] —