Zeitfenster und Ausblicke

Dieser Übergang von 2016 auf 2017 scheint einige Klarheiten zu zeigen, nachdem die letzten Jahre in der regionalen Wissens- und Kulturarbeit von Unruhe und einigen Unschärfen geprägt waren. Für uns hat sich etliches in der Beachtung und Betrachtung von sehr konkreten Zeitfenstern entwickelt, wobei sich ein Blick auf die letzten zweihundert Jahre verdichtete.

1814-1914-2014
Unsere Arbeit war eine Weile diesen Daten gewidmet: Vom Wiener Kongreß (1814) zum Kriegsausbruch (1914) in einer technologisch radikal neuen Situation. Dann, im Rückblick auf den Großen Krieg, 2014 eine Europawahl mit neuen Modi in einer vom Weltgeschehen gerüttelten EU: „Zum ersten Mal werden die europäischen Parteifamilien europaweite Spitzenkandidaten für diesen Posten aufstellen. Auch die EU-Kommissare müssen von dem EU-Parlament gewählt werden, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen können.“ [Quelle]

Dazu die Überlegung, daß wir seit rund 200 Jahren in einer permanenten technischen Revolution leben, deren ungebrochene Beschleunigung den Gesellschaften immer mehr abverlangt. Und das in einer globalisierten Wirtschaft, auf deren Beunruhigungen immer mehr Menschen mit Ansichten aus frühen Zeiten des Nationalismus reagieren; im Heraufdämmern veschiedener Strukturkrisen, die sich an den wachsenden Flüchtlingsströmen besonders hart zeugten.

1815-2015
Zu all dem findet sich ein interessantes historisches Motiv. In den Jahren 1815/16 bereiste Erzherzog Johann mehrmals England. Er wollte ergründen, womit man in der damals führenden Industrienation der Welt befaßt ist. Dabei konnte er James Watt persönlich treffen.

Der hatte durch seine Verbesserungen der Dampfmaschine einen grundlegenden Akzent für die Erste Industrielle Revolution gesetzt. Dieser Zusammenhang, in dem sich Weltgeschichte und steirische Regionalgeschichte berühren, erweist sich für unsere aktuelle Arbeit als anregend.

2015/2016
Wir hatten nun zwei Jahre ein verstärktes Augenmerk auf die sich anbahnende Vierte Industrielle Revolution, bei gleichzeitiger Beachtung angemessener Rückblicke. Dabei kam „Die Ehre des Handwerks“ deutlich in den Fokus. Außerdem war besonders über eine „Volkskultur in der technischen Welt“ nachzudenken.

Das geschah vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen, durch die Volk, Kultur, Identität und Heimat zu auffallend stark betonten Themen der politischen Diskurse wurden; allerdings hauptsächlich als Schlagworte und kaum je in einer seriösen Betrachtung der inhaltlichen Dimensionen dieser Begriffe.

Dabei fiel auf, daß sich in der Region kaum Veranstaltungen zu diesen Themen finden ließen. Und wo sie stattfanden, ergab sich daraus kaum eine Anregung, den Stand der Dinge zu reflektieren.

Kulturelle Krise
Es ist ganz bemerkenswert, daß etwa die Politik fast aller Fraktionen in jüngster Zeit mit den Begriffen Volk, Kultur, Identität und Heimat agiert hat, auch Wahlkämpfe bestritt, aber im konkreten kulturellen Leben der Region davon so gut wie nichts zu finden ist.

Es bleibt zu vermuten, daß Kulturarbeit und Kulturbudgets von Politik und Verwaltung in den letzten Jahren immer stärker zu Marketing-Zwecken genutzt wurden und Kunst- wie Kulturschaffende der Region dagegen keine Einwände vorzubringen hatten.

Im Kontrast zu solchen Entwicklungen unser Themenfeld „Dorf 4.0“, wo das Zusammenspiel von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft diese Themen aufgreift.

2016
In diesem Jahr hatte sich die Verständigung mit Graphic Novelist Chris Scheuer sehr verdichtet. Von ihm stammt die Feststellung „Wenn ich es nicht verstanden hab, dann hab ich es noch nicht gezeichnet.“ Ein wichtiger Aspekt mit dem Hinweis, daß unser Denken sich nicht bloß sprachgestützt ereignet.

Wir denken natürlich auch in Bildern und in Emotionen. Überdies hab ich mich mit Scheuer über Wechselbeziehungen zwischen Volkskultur und Popkultur auseinandersetzen können: [link] Die befassung mit diesen Zusammenhängen geht auf das Jahs 2014 und das Projekt „The Track: Pop“ zurück: [link] Das wurde 2016 in „Konvergenz: Pop“ verankert: [link]

2017
Unser 2017er Kunstsymposion trägt den Titel „Koexistenz 2017“. Das sollte nach den bisherigen Vorarbeiten diesmal kompakter laufen, nachdem mir das 2016er Kunstsymposion abschnittweise unter den Händen zerbröselt war; mutmaßlich auch ein Ausdruck der unruhigen Zustände.

In „Tausende Handgriffe“ [link] hab ich ein paar Bezüge zur Gegenwartskunst skizziert, die 2017 Wirkung haben werden. Von Niki Passaths augenzwinkernd vorgebrachtem „Artist is Obsolete“ zum peniblen, fast uferlosen Zeichnen des Robert Gabris

Passath war zuletzt im heurigen September mit uns, als Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov in einer ersten Konferenz unter „Kunst und funktionale Sicherheit“ mögliche Zusammenhänge kontrastreicher Betrachtungsweisen zur Debatte stellte: [link]

Solche Überlegungen im Kontext Gegenwartskunst werden auch in ein Projekt einfließen, bei dem Wissenschafter Hermann Maurer eine wesentliche Rolle spielt. „Mensch und Maschine“ (Virtualität und erfüllte Symbiose) ist schon in Arbeit: [link] Das Vorhaben wird institutionell an der TU Graz verankert sein.

— [Von 2016 auf 2017] [2017er Kunstsymposion] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Programm "kunst ost" abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.