Eine verblüffende Situation. Da wird gelebtes Leben und geleistete Arbeit in das Nichts des Digitalen übersetzt. Ein komplexer Prozeß, von der Wärme des realen Lebens vieler Menschen hergeleitet, gefriert sozusagen, erstarrt in einem Codesystem. Suchen, lauschen, erzählen. Schließlich diese irritierende Transformation.
Sogenannte QR Codes sind zentrale Träger dieser Situation. In einem Quadrat werden maximal 177×177 Elemente angeordnet, um einen präzise adressierten Verweis ins Internet zu liefern. Dort fächert sich die Arbeit von diSTRUKTURA wieder auf.
Was sonst gerade wie ein Daumenabdruck auf Waren, Gütern, Gegenständen deponiert ist, um sie zu markieren, haben Milica Milicevic und Milan Bosnic nun selbst zum Material ihrer künstlerischen Praxis gemacht. In der Weise formieren sich verschiedene Landkarten der Bedeutung.
Daraus entstand in der Zusammenarbeit von Akademie Graz und Kunsthalle Graz die aktuelle Ausstellung: „We are living in a beautiful wOURld“. Eine aufwendige Reflexion der Zustände einer Postkriegsgesellschaft, in der Brain Drain und Diaspora einerseits das Gemeinwesen beschädigt haben, andrerseits auch Risse und Gräben durch private Beziehungen zogen.
Milicevic und Bosnic haben in nun schon einem Jahrzehnt nicht bloß untersucht, was das an ihrem Herkunftsland Serbien bewirkt. Diese prozeßhafte Arbeit gibt uns auch Einblicke, welche Effekte solcher Entwicklungen auf das Zielland von Menschen haben, die aus höchst unterschiedlichen Gründen gegangen sind.
Dabei mag einem auffallen, wie grotesk das aktuell populäre Sprachspiel einer Unterscheidung von „Kriegs-„ und „Wirtschaftsflüchtlingen“ ist, wo wir darüber nachdenken könnten, wie eine Gesellschaft, die längst viel zu satt und müde in sich ruht, neue Impulse beziehen soll, damit sie ihre eigene Zukunfstfähigkeit nicht, auf dem Sofa hockend, völlig verbummelt.
In dieser Arbeit von diSTRUKTURA wird auch anschaulich, welcher Art die Anregungen sind, die uns jene Menschen bieten, Fremde, denen wir mit ihren völlig anderen Erfahrungen begegnen. Das ist es ja, was Europa ursprünglich bedeutend gemacht hat. Diese bis zum Konfliktpotential reichende Vielfalt. Diese unerbittliche Praxis des Kontrastes.
Es erinnert nicht gerade zufällig an die Ära um 1914, da Serbien am Beginn des 20. Jahrhunderts so exponiert erschien wie zum Ende des radikalen Jahrhunderts. Damals waren es aristokratische Eliten Europas und deren Personal, die mit größter Anstrengung versuchten, jene Veränderungen zu verhindern, die ihnen vom Lauf der Zeit aufgezwungen wurden.
Heute sind es die Enkel ihrer Untertanen, die in Europa Vergleichbares versuchen; das Bestehende zu fixieren, den Lauf der Dinge zu bremsen, sich gegen fremde Einflüsse und Begegnungen mit Wucht abzugrenzen.
Dabei zeigt uns die Kunst andere Zugänge und macht nachvollziehbar, was unser Gewinn sein kann, wenn wir nicht auf „Monokultur“ setzen. So zu sehen bis 7. Dezember 2016 in Graz. Siehe dazu auch: [link]