Wie leicht ich Dinge falsch verstehe! Da wird eine Veranstaltung unter „Kunst im Gepräch“ angeboten, ich fahr nach Graz, weil ich meine, es gehe um ein „Gespräch über Kunst“. Ob das einen Unterschied macht? Gewiß! Dieser Abend im Rahmen des Festivals steirischer herbst hat mich nun wenigstens einmal in die Kunsthalle Graz gebracht. Solche Plätze sind enorm nach meinem Geschmack.
Graz ist zu klein, um einige Boulevards zu haben, aber die Conrad von Hötzendorfstraße ist einer; überdies in seiner Namensgebung ein grindiger Verweis auf jenen Kriegstreiber, der bei gängiger historischer Betrachtung immer noch brav hinterm Schatten des schmächtigen Gavro Princip ruht, gut versteckt vor der Annahme, er könne als Stabs-Chef des damals gegenwartsmüden Kaisers etwas Erwähnenswertes mit dem Ausbruch des Großen Krieges zu tun gehabt haben.
Also die Kunsthalle Graz. Ein wunderbarer Ort auf jenen Terrains, die hinter den Häuserzeilen der Boulevards liegen, unseren Blicken entzogen, offenkundig mit ganz erheblicher Anstrengung einem alten Bestand abgerungen. Ein Ort der Kunst.
Momentan ist dort „Der Duft der Welt“ (Part 1: Olfactory Library Europe) von Markus Jeschaunig zu sehen, auch zu riechen. Jeschaunig hat einen Ausschnitt Europas individuell kartiert, indem er an für ihn markanten Stellen Gerüche einfing, zu konservieren suchte. Diese Duftsammlung ergibt ein Abbild seines aktuellen Europa-Ausschnittes.
Nun war ich also zu „Kunst im Gepräch“ gekommen, geleitet von der Annahme, es werde ein „Gespräch über Kunst“ geben. Es geschah alles nicht, wie ich erwartet hatte. Ich wäre auch wnig geneigt, Kunst ins Gespräch zu bringen, dort zu suchen, im Gespräch, denn sie ereignet sich ja in den Werken und womöglich noch in der Rezeption von Werken. Der Rest ist vor allem Transzendenz, worüber man natürlich endlos reden kann, was nichts macht.
Es scheint erwähnenswert, daß mir die im Gespräch geäußerten Ansichten zur Kunst von Markus Jeschaunig sehr zugesagt haben. Er ist offenkundig nicht bereit, seine Arbeit etwa für pädagogische Intentionen verfügbar zu machen, sondern sucht sich Fragen und Aufgabenstellungen, die er mit künstlerischen Mitteln bearbeitet. Dabei wünscht er, von anderen Aufgaben und Erwatungen unbehelligt zu bleiben.
Ich bevorzuge diese Haltung, denn „Kunst um zu…“, dieses Herumlavieren an einer praktischen Nützlichkeit von Kunst, ist der Versuch eines disziplinierenden Zugriffs auf eines der letzten Felder, wo solche Nützlichkeit wenig bedeutet… und nützt 😉
Es gefällt mir, das von einem jungen Menschen so klar zu hören, denn längst macht sich wieder solche Verwässerung breit, die etwa von einem verschnöselten Bildungsbürgertum promotet wird: „Es ist die Aufgabe der Kunst, daß…“ Mumpitz!
Im abendlichen Gespräch, welches von Astrid Kury und Wenzel Mracek geführt wurde, konnte mindestens klar werden, daß wir Wahrnehmung und Empfindung unterscheiden sollten. Die Kunst?
Ich bin ein sehr begabter Irrläufer. An der Olfactory Library Europe haben mich die Gerüche am wenigsten interessiert, wie ich mich auch in diesen Augenblicken nicht mit der Welt befassen wollte, mit Ereignissen und Schicksalen irgendwo.
Ich fand die großen weißen Hauben so fesselnd, diese papierenen Kuppeln in ihren feinen Brüchen, da sie nicht aus Kuntstoff und so glatt wie präzise geformt sind, sondern aus einzelnen Segmenten gebaut, weshalb keine Haube im Raum der anderen gleicht.
Das bekommt seinen großen Reiz, weil es mehrere sind, die den Ausstellungsraum eigentümlich strukturieren, weil man außerdem anwesende Menschen nur zum Teil sieht, wie oben abgeschnitten. Was also ein Werk ist, das sich über Gerüche ereignen will, hat eine womöglich nicht besonders intendierte Qualität als gestalteter und bewältigter Raum, ist also zugleich ein bildhauerisches Werk.
Dazu kommt einige interessante Flachware im Eingangsbereich, überdies sind Ausrütsumngsgegenstände und Artefakte von der Arbeit des Sammelns inszeniert. All das, als ein Ensemble, hat mich eigentlich erreicht.
Aber allein die quasi fragmentierten Menschen, wie sie sichtbar sind, wenn sie unter den Kuppeln stehen, ergeben eine hinreißende Ansicht und das wäre für sich schon Werk, auch da die Papierglocken verschlucken, was an geistreichen Gesprächen geführt wird, denn wenig stört mich in einer Ausstellung, angesichts der Werke, so sehr als das Erklingen geistreicher Gespräche. Tja! Jeschaunig. Der hat es ganz schön in sich…
+) Kunsthalle Graz [link]