Man will es sich heute nicht mehr vorstellen. Dienstboten-Kind in einer Gegend, wo die Wirtschaften so klein waren, daß manche Bäuerinnen ihre eigenen Kinder nicht aufziehen mochten. Kinder der Mägde hatten da schon gar keinen Platz am Hof.
Das Leben von Maria Kaindl, die so ein Dienstboten-Kind war, nahm manche kühne Wendung. Ihre Wege führten auch nach Graz, wo sie schließlich für ein Flaggschiff der österreichischen Verlagslandschaft arbeitete, die Akademische Druck- und Verlagsanstalt (ADEVA). Ein Haus der originalgetreuen Reproduktion alter Bücher, auch aus der Antike.
Später kehrte Kaindl in die Region zurück, wurde wieder in Albersdorf ansässig. Sie genießt ein tätiges Leben, indem sie sich stets interessante Aufgaben sucht. Dazu gehört ihr Engagement für den Göpel Hittn Oldtimerclub. Das ist eine Gemeinschaft von rund 90 Enthusisasten, die alte Traktoren pflegen.
Die Göpel-Hütte war einst der Wetterschutz jener frühen Kraftmaschine, des Göpels, einer bemerkenswerten Vorrichtung, mit der etwa Dreschmaschinen angetrieben werden konnten, bevor Dampfmaschinen verfügbar waren.
Tiere und Menschen können einen Göpel antreiben. Die Albersdorfer Apparatur, heute in Teilen eingelagert, ist ein Rundgöpel. Da können Rinder oder Pferde im Kreis gehen, um eine Drehbewegung für den Antrieb von Zusatzgeräten zu erzeugen.
Ich bin mit Maria Kaindl im Gespräch, weil wir einerseits den Göpel Hittn Oldtimerclub heuer zur Mitwirkung an „Mythos Puch“ bitten, weil andrerseits diese spezielle Vorgeschichte des Clubs eine frühe Position in der Geschichte der Kraftmaschinen markiert. Der Göpel, einst für die Landesausstellung von 2001 gebaut, existiert ja noch.
Derlei Maschinen verknüpfen das Thema Pferdekraft mit der nachfolgenden Historie der Kraftfahrzeuge. Sie verweisen aber auch darauf, daß Wirtschaften unserer Region meist zu klein waren, um Pferde halten zu können.
Viele Leute mußten zum Umbauen auf dem Feld und für Fuhrdienste Rinder nutzen und selbst da reichte es oft nicht einmal für Ochsen, es mußten die Kühe herhalten.
Kaindl ist selbst, mit ihrer gesamten Biographie, einen staunenswertes Beispiel für die jüngere Geschichte dieser Region. Als Tochter einer Magd konnte sie nur über Wißbegier und Tüchtigkeit aus diesem für die Gegend typischen Leben in kargen Verhältnissen herauskommen.
Ein Zugang zu höherer Bildung wäre damals mit Kosten verbunden gewesen, die niemand aufbrachte. Der Weg in die Landeshauptstadt und schließlich die Anstellung in der ADEVA ergaben Erfahrungen eines urbanen Lebens, aber auch Kompetenzen, wie man sie eben in einer bedeutenden kulturellen Institution braucht, also erwirbt.
Mit der Rückkehr Kaindls nach Albersdorf rundet sich das Bild im Zusammenspiel mehrerer Lebenswelten, die von den drei Wurzeln der Regionalgeschichte geprägt sind, dem Agrarischen, dem Industriellen und dem Städtischen.
— [Dorf 4.0] [Mythos Puch III] —