Ich habe mir schon erstaunliche Dinge anhören dürfen, da ich seit einigen Jahren damit befaßt bin, eine „Volkskultur in der technischen Welt“ verständlich zu machen; genauer, einen bestimmten Teil davon.
Unser Kuratorium für triviale Mythen verknüpft solche Aspekten des kulturellen Lebens mit den jüngeren Phänomenen der Popkultur.
Dem stehen zwei markante Formationen gegenüber, die eine sachliche Auseinandersetzung offenbar scheuen. Ich habe erlebt, daß mir Traditionspfleger die Leviten zu lesen versuchten, manierliche Personen aus dem Umfeld eines etablierten Bildungsbürgertums.
Dann wären da noch vaterländische Kräfte, die im laufenden politischen Diskurs ihr Faible für das Volk, das Volksnahe und die Volkskultur gerne herausstellen, aber im kulturellen Leben der Region nicht einmal mit einer Lupe auffindbar sind und auch keinerlei erkennbare Spuren in dieser Region hinterlassen haben.
Da wird also gerne mit einer Menge Chuzpe agiert, wird allerhand herumbehauptet, was stellenweise keiner Überprüfung standhält. Wenn ich nun mit „Mythos Puch“ in das dritte Jahre gehe und über historische Objekte unserer Mobilitätsgeschichte etwas zu klären versuche, dann drückt das meine Auffassung aus, in den trivialen Mythen seien all diese kulturellen Aspekte verankert und wirksam.
Meinung genügt freilich nicht. Gibt es Kriterien? Ist das Wasser naß? Freilich gibt es die. Zum Beispiel angelegentlich eines nationalen Verzeichnisses des immateriellen Kulturerbes, das auf der Basis eines Übereinkommens mit der UNESCO besteht: [link]
Demnach geht es um „die Erhaltung immateriellen Kulturerbes“, „die Sicherung des Respekts vor dem immateriellen Kulturerbe von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen“ und „die Schaffung von Bewusstsein für und die Anerkennung der Bedeutung immateriellen Kulturerbes auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene“.
Die Schrauber und Sammler, mit denen ich zu tun habe, aber auch alle Arten der Fans, die sich dazu einfinden, tun sich nicht als diskursive Kräfte hervor, geistern also nicht – wie ich – auf der Meta-Ebene herum und wälzen auch keine Fachbücher. Sie sind der Sache selbst gewidmet.
Von mehreren wichtigen Punkten, welche die UNESCO nennt, sind etliche auch in dieser Szene zu finden und zu belegen. Auf jeden Fall „Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste“ sowie „Traditionelle Handwerkstechniken“. Ich werde an anderer Stelle noch ausführlicher auf anerkannte Kriterien der Volkskultur eingehen.
Verstehen Sie mich recht, mir liegt nichts daran, mich auf eine exponierte Stelle neben die Traditionspflegern zu reklamieren. Gerade die Bornierten unter ihnen, mit denen ich schon zu tun hatte, scheren mich am wenigsten. Weshalb? Weil die alten Werkmeister und die jungen Löwen des Schraubersegmentes eine kulturelle Faktenlage verkörpern, die mit großer Vehemenz und brillanten Artefakten ausgestattet ist.
Das alles ist da, ich muß es nicht verteidigen, ich muß mich auch nicht als dessen Platzhalter aufstellen. Ich habe es in der Sache mit vier Generatioen inspirierter Menschen zu tun, unter denen klar ist, was die Hackler von Format allesamt vertreten: Man kann, was man sagt. Man sagt nur, was man kann. Was man nicht weiß und nicht kann, wird der Gemeinchaft anvertraut. Und irgendwer weiß es dann oder findet es.
Natürlich gibt es auch auf diesem Feld Schwätzer und Posierer, Gschaftelhuber und Wichtigtuer aller Färbungen. Doch im Unterscheid zu anderen Milieus erlangen die hier keine nennenwerte Geltung. Es gibt sie eben und das kratzt kaum wen.
— [Mythos Puch III] [Volkskultur] —