Helmut Römer an Bord. Ich hatte mit ihm eine komplexe Angelegenheit zu erörtern. Egal, ob im Dorf oder in der Landeshauptstadt, es erreichen uns gerade einige große Themen mit Wucht; gleichermaßen aus der Vergangenheit und aus der Zukunft.
Die nahe Zukunft wird über eine Vierte Industrielle Revolution greifbar, deren Startphase schon hinter uns liegt. Arbeitswelt und Gesellschaft werden sich in wenigen Jahrzehnten fundamental verändert haben.
Es sind genau solche Veränderungsschübe, in denen sich Menschen derart verunsichert fühlen, daß ihnen plötzlich eine verklärte Vergangenheit sehr reizvoll erscheint. In der regionalen Kultur- und Wissensarbeit sollten daher seriöse Positionen zu finden sein, was die Themen Heimat und Nation, Volk und Volkskultur angeht.
In diesem Kräftespiel der Themen aus Vergangenheit und Zukunft dreht sich gerade die ganze Gesellschaft. Das erreicht jeden Winkel des Landes. Nun hat aber ein Dorf kein Rathaus, keine nennenswerte Verwaltung, auch keine eigene Kulturabteilung.
Das ist aber nur ein Aspekt kulturpolitischer Fragestellungen auf dem Lande. Ein anderer ist seit dem 18. Jahrhundert akut. Wo gebildete Kreise das Volk belehren möchte, zeigen sich fragwürdige Effekte.
Wer hätte nun schon davon gehört, daß ein Dorf sich eine eigene Kulturpolitik leistet? Relevante Themenstellung. Jahresplanung. Kooperationsansätze. Finanzierungskonzepte.
Genau das ist nötig, wenn auch Dörfer eine Kultur- und Wissensarbeit vorweisen mögen, die nicht einfach „urbanisiert“, also städtische Konzepte aufs Dörfliche umkupfert. (Das tut schon Kleinstädten nicht besonders gut, für Orte ohne gewachsenen Ortskern geht das überhaupt nicht.)
Es war also von kulturellen Aufgabenstellungen zu reden. Dabei spielt für uns die Frage der Raumüberwindung eine wichtige Rolle. Im Landeszentrum habe ich eine hohe Dichte an kulturell interessierten Menschen und an Orten, wo ich immer jemanden davon antreffen kann.
Das alles ist teilweise zu Fuß zu machen. Öffentliche Verkehrsmittel erleichtern den Umgang miteinander. Draußen, in den Dörfern, ist das völlig anders. Also haben wir diskutiert, welche Art von Werkzeug-System uns nützen kann, die Standortnachteile der Provinz zu kompensieren.
Telekommunikation, Teleworking und Telepräsenz sind dazu unverzichtbar, wenn sie auch die reale soziale Begegnung keinesfalls ersetzen können. Um also große Themenstellungen zu bewältigen, erscheinen autonome Ortsformationen sinnvoll, die ihre Arbeit an einem Teilthema eigenständig entwickeln.
Über angemessene Kooperationen kann das verknüpft werden.
Dabei wäre es retro a la 19. Jahrhundert, wollte man so einen Prozeß zentralisieren. Zeitgemäße Medientechnologie ermöglicht einen Kommuniaktionsmodus, in dem die autonomen Einheiten miteinander arbeiten können, ohne in Strukturen gedrängt zu werden, welche die Vierte Industrielle Revolution nämlich gerade abschafft. (Wird fortgesetzt!)
+) Zu den Hintergründen siehe unsere Netzkultur-Historie: [link]
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