Jene, die das praktizieren, brauchen dazu keinen akademischen Diskurs und beschäftigen sich gewöhnlich nicht mit Kulturtheorie. Akademische Kräfte befassen sich schon mehr als ein halbes Jahrhundert lang damit. Es mangelt nicht an einschlägigen Publikationen.
In unseren Kulturreferaten kommt es nicht vor, im Feuilleton auch nicht. Im Jahrbuch „Volkskultur Steiermark“ fehlt das Stichwort ebenso: „Volkskultur in der technischen Welt“.
Wollte ich Micky Tieber, Frontmann der „Alltagsklassiker“, dahingehend befragen, würde er womöglich die Schultern zucken. In dieser Community werden keine Ethnologie-Vorlesungen gehalten. Wenn ich ihn aber frage, was sie über Jahre laufend tun und allmonatlich zelebrieren, kommt weit mehr heraus, als bloß „Benzingespräche“.
Dann würde man nämlich erkennen, daß hier eine hochkarätige Volkskultur-Praxis näher besehen werden kann. Was da an Kompetenzen, Fachwissen und kulturellen Codes dingfest ist, kommt nicht von Eliten der Deutungshoheit. Das kommt von der Basis vielfältig arbeitender Menschen, also allen denkbaren Branchen zugehörig, die ihre Freizeit diesen Themen widmen.
Man findet es in städtischen Milieus, es zeigt sich ebenso in ländlichen Gebieten, das ereignet sich landesweit, flächendeckend und – wie schon erwähnt – auf hohem Niveau.
Würde ich Maria Kaindl vom „Göpel-Hittn Oldtimer-Club Albersdorfberg“ befragen, wäre es eine ganz andere Geschichte mit anderer Praxis und anderen kulturellen Codes, aber ebenso gut nachvollziehbar eine Traditionspflege mit allen Merkmalen, die der Volkskultur zugeschrieben werden.
Bei der „Göpel-Hittn“ kommen übrigens die deutlichen Wurzeln in der agrarischen Welt zur Geltung. Göpel sind Kraftmaschinen, die lange vor den Dampfmaschinen ersonnen wurden; für die Bauern der kleinräumigen Selbstversorgerwirtschaften in der armen Oststeiermark einst ein rarer Luxus.
Ich will deutlich machen, daß wir im ganzen Land eine Schrauber- und Sammlerszene haben, die quer durch alle sozialen Milieus reicht und auch ihr Publikum so breit gestreut hat.
Dabei wird technisches Kulturgut erhalten und Wissen gesichert, das verlorenzugehen droht. Es wird aber auch konsequent Wissensarchäologie betrieben, denn viel an Sachkenntnis und Informationen dieses Genres ist nicht schriftlich dokumentiert.
Es gibt in dieser Szene ein kontinuierliches kulturelles Leben, das sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt und ausdifferenziert hat; mit jeweils den zeit- und milieubezogenen kulturellen Codes.
Dazu werden von Clubs und Interessensgemeinschaften Periodika und Bücher herausgegeben, heute spielt auch Internet-Präsenz eine wichtige Rolle.
Die Szene hat natürlich all jene Kontraste in sich, durch die es hier grenzüberschreitende Kontakte und Austausch gibt, aber auch da Lagerbildungen und Lagerabgrenzungen; bis hin zu so manchen Ressentiments. Und sei es bloß, daß viele Schrauber sich von jenen deutlich unterschieden wissen wollen, die an ihren Fahrzeugen schrauben lassen, weil sie selbst ohne handwerkliche Talente sind.
Wir haben beim Thementag von Mythos Puch 2015 schon begonnen, dieses Thema zu bearbeiten, heuer wird das bei Mythos Puch 2016 weiter vertieft.
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