Ich habe nun eine Reihe von Arbeitsgesprächen geführt, um herauszufinden, welcher Art Wissens- und Kulturarbeit sein sollte, damit dem starken Anteil an bäuerlicher Welt in dieser Region gerecht werden kann.
Das leistet man ja nicht, indem man dörfliche Strukturen einfach urbanisiert, also kulturelle Inszenierungen aus den Städten kopiert und überträgt. Für mich ist klar, daß ich erst einmal jene hören soll, die in dieser bäuerlichen Welt aufgewachsen sind. Was bewegt sie? Wovon gehen sie aus, wenn sie auf die Welt und in die Zukunft blicken?
Nun gehen wir in eine neue Kooperation. Dieses Vorhaben handelt von den Schlüssen, welche wir aus solchen Begegnungen zu ziehen haben. Es geht mir dabei auch um Kontinuität. Wer nur auf ein paar illustre Events setzt und die längerfristige inhaltliche Arbeit meidet, ist bloß im Dekorationsgeschäft tätig. Hier soll es merklich in die Tiefe gehen.
Ich hatte im Rahmen des Aprilfestivals von 2011 den ersten “Tag der agrarischen Welt“ programmiert. Sozialgeschichte, Ernährungssouveränität, Kultur, ich kann diesen Bereich nicht ignorieren, wenn ich diese Region begreifen möchte, ganz egal, ob ich eher in die Vergangenheit oder in die Zukunft blicke.
Wer ausschließlich die städtischen Motive betrachtet, kapiert nicht, wie es dazu gekommen ist. Außerdem haben wir es in all dem mit Mentalitätsgeschichte zu tun. Mentalität ist etwas Zähes.
Eine regionale Gesellschaft, die aus Keuschen und kleinen Selbstversorger-Wirtschaften erwachsen ist, mühsam den heutigen Wohlstand errungen hat, birgt in sich die Erfahrungen von dutzenden Generationen, welche den Mangel als Dauergast und die Not als häufige Besucherin kannten.
Diese mentalen Prägungen verschwinden nicht in einem halben Jahrhundert des Friedens und der boomenden Wirtschaft. Hinzu kommt, daß uns diese Annehmlichkeiten weder versprochen, noch gesichert wurden.
Es könnte also sein, daß eine agrarisch geprägte Gesellschaft, welche die Verhältnisse über Handwerk und partielle Industrialisierung aufwerten konnte, Kompetenzen in sich trägt, die uns nicht verloren gehen sollten.
Auch die Geschäftsleute der urbanen Bereiche, ob sie nun Güter oder Dienstleitungen anbieten, ruhen in ihren Perspektiven auf der Kaufkraft und dem Bedarf, wie sie hier aus dem Broterwerb in vielen Branchen entstehen.
Hinzu kommt, daß wir unübersehbar in eine Vierte Industrielle Revolution gehen. Selbstlernende Systeme, Roboter, künstliche Intelligenz, wir werden in den kommenden Jahrzehnte zuschauen können, wie womöglich fast die Hälfte der uns vertrauten Berufe verschwindet, da dann all diese Jobs von Maschinen erledigt werden.
Daher die unausweichliche Frage: Welche Kompetenzen sollten wir sichern und erhalten? Was darf ins Museum?