Fiat Lux: Mein kühles Extrazimmer

Oder: Hier entfaltet sich die nächste Ortlosigkeit

„Aus einem endlosen Text wird mein
kühles Extrazimmer aufrechterhalten.“

Wie sehr ich derzeit doch viele meiner früheren Ansichten revidieren, wahlweise entsorgen muß. Das Projekt „Fiat Lux“ hat mich inzwischen auf ein Terrain gebracht, mit dessen Ausstattung ich seinerzeit nicht gerechnet hatte.

Um nun zu ordnen, was mir aktuell klar zu werden scheint, habe ich zwei Themenleisten installiert:
+) „Fiat Lux: Panorama“ [link] und
+) „Fiat Lux: Roboter“ [link]

16mar26_kanzley

Hier bearbeite ich, was bei mir früher hauptsächlich auf den Bereich „Netzkultur“ konzentriert war; siehe: [link] Nun haben die laufenden Entwicklungen in meiner Wahrnehmung eine Dimension erreicht, die solche Einschränkungen nicht mehr zuläßt.

Während ich im „Panorama“ eine Rundschau entfalte, die vom Thema „Autonom fahrendes Automobil“ ausgeht, überprüfe ich zum „Roboter“, wie diese Technologien gerade unseren Alltag durchdringen, Räume besetzen, eigentlich neue Räume generieren.

Ich war vor rund eineinhalb Jahrzehnten nicht bereit, die aktuelle Entwicklung außerhalb von High Tech-Nischen kommen zu sehen. Im Jahr 2001 durfte ich annehmen, daß die Robotiker nur wenig weiterbringen. (Ich war außerdem hauptsächlich mit den Fragen befaßt, wie sich eine Kulturinitiative über die Webestützung entfalten solle.)

Ich hielt im Grazer Forum Stadtpark am 15. Mai jenes Jahres einen Vortrag mit dem Titel „Mein kühles Extrazimmer“. Eben fand ich im Manuskript dazu eine geradezu romantische Passage:

„Das ist also mein Monitor. Portal. Leuchtkörper. Und Horizont. Ich hocke meist vorgebeugt auf dem gekippten Sessel und verderbe mir über die Jahre die Augen. Ich starre wie der Topgast eines alten Segelschiffs auf die Scheibe und durch die Scheibe. Zum Horizont. Was ich am Keyboard tue, hat meist irgendwelche Auswirkungen auf das Geschehen dort draußen. Denkakte werden als Ereignisse in einen neuen Raum übersetzt, der mir jederzeit offen steht. Solange die Leitungen Saft haben.“

Im Oktober 2001 hielt ich in den USA (bei der Sixth Annual Conference on Austrian Literature and Culture) einen weiteren Vortrag mit dem selben Titel. Darin hieß es unter anderem:

„Die süße Rede von ‚intelligenter Technologie’ ist Diktion der Werbeleute vor dem Hintergrund einer äußerst unklaren Lage, was denn mit Intelligenz gemeint sei. Technologie ist nicht intelligent. Sprechen wir da lieber von ‚usability’. Und fragen wir uns, welche Inhalte auf welche Art welchen Menschen vermittelt werden sollen.“

16mar26_freiberg

Im Vortrag des Mai 2001 hatte ausschließlich zugunsten meiner bevorzugten Position argumentiert:

„Diese inzwischen verfeinerte Prothetik zur Telepräsenz, ein wenig vom romantischen Plüsch befreit, ist heute zu einer wesentlich cooleren Ortlosigkeit geronnen. Oder auch zur Idee von neuer Örtlichkeit. Utopie im Sinn des Wortes. ‚Kein Ort’. Das Nirgendwo als ein Raum, der plötzlich kognitiv betretbar wurde. Ein angeblich wärmeres Plätzchen als manches Wohnzimmer. Ein neuer Raum, in dem sich Heilsversprechen stapeln wie Wolldecken, die man im Vorbeigehen an sich nehmen könnte. In all dem ist auch ein religiöse Dimension.“

Ich beneide mich um diese alten Zugänge. Heute könnte ich kaum beunruhigter sein, da uns diese Technologien so weitreichend um die Ohren fahren. Derweil dominiert im Gemeinwesen das Zelebrieren von Herzigkeiten, mit denen eine Dorfplatz-Geselligkeit simuliert wird, die längst unwiederbringlich zur Vergangenheit gehört, während wir in einer Zukunft angekommen sind, die selbst den meisten Opinion Leaders in meiner Umgebung noch höchst unklar zu sein scheint.

+) „Mein kühles Extrazimmer“ (15.05.2001) [link]
+) „Mein kühles Extrazimmer“ (18.10.2001) [link]

— [Fiat Lux II] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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