Die Kultur- und Wissensarbeit in der Region, also abseits des Landeszentrums, hat in unserem Fall Bedingungen, die auszuschlagen ein Unternehmen gefährdet, einem Projekt die Fundamente beschädigt.
Es ist auffallend und kurios, daß über diese Bedingungen keinerlei Unklarheiten herrschen und doch Regionalpolitik wie zivilgesellschaftliche Praxis weitgehend darauf verzichten, diese Zusammenhänge zu thematisieren.
Das hat neue Brisanz erlangt, als etliche Gemeinden der Oststeiermark Flüchtlinge aufgenommen haben, was den gesamten Themenkomplex in unsere öffentlichen Diskurse hievt; selbstverständlich auch mit all den Ressentiments, die es dazu gibt.
Die aktuelle, weltweite Flüchtlingssituation ist nicht nur politisch und sozial, sondern auch kulturell eine große Herausforderung. Sie zwingt uns, nicht bloß eigene Positionen, sondern auch eigene Verfahrensweisen, Umgangsformen, zu überprüfen. All das verlangt von uns, Ansichten über das „Wir“, den Staat, unsere Identität neu zu klären.
Um es offen auszusprechen, Thema und Gegebenheiten („Flüchtlinge im Ort“) ergeben auch die Anlässe für ein Ringen um Ressourcen und um Sozialprestige der Einheimischen. Eine lokale Gesellschaft ist angesichts der Mühseligen und Beladenen plötzlich auch mit den eigenen sozialen Qualitäten, wahlweise Mängeln konfrontiert. Da bildet Gleisdorf keine Ausnahme.
Zurück zu den erwähnten Grundsätzen. Ich hatte sie im Sommer 2013 für Kunst Ost formuliert und heuer im April wieder aufgelegt, weil es gute Gründe gab, über Ethos zu reden. Diese Grundregeln lauten:
1) Wir zentralisieren nicht
2) Kommunikation
3) Kooperation
4) Niemand wird bekämpft
Notiert und erläutert im Eintrag vom 14. April 2015: [link] Ich sehe diese Prinzipien aus den letzten Jahren heraus mehrfach bestätigt und bekräftigt.
Was ich vorhin unter dem Stichwort „Kulturspange, Phase III“ [link] zu notieren hatte, ist der nächste Versuch, eine Art der kollektiven Kulturarbeit zu etablieren, bei der allgemein verstanden wird, daß eine hierarchische Anordnung für solche Arbeit nichts taugt und gegenüber einer komplementären Anordnung der Initiativen zurückstehen muß.
Eine dieser Initiativen in komplementärere Anordnung ist „Fokus Mitmensch“, initiiert von der vormaligen Lehrerin Helen Wieser, die selbst Immigrantin ist. Sie stamm aus Neuseeland. Wieser hat den Flüchtlingen, mit denen sie nun schon eine Weile intensiver arbeitet, nahegelegt, ihrerseits und eigenständig eine Kulturinitiative zu formieren.
Im Augenblick sind schon einige Kreative in dieser Sache tätig und ein neu angekommener Mann, der beruflich dem Bereich Marketing und Public Relations zuzurechnen ist, macht sich gerade daran, diesen Prozeß für eine Kommunikation nach außen aufzubereiten.
Wieser setzt in ihrem Engagement auf „Empowering Tomorrow’s Citizens“. Man beachte, wo da der Fokus sitzt, im Vergleich zu hier üblicher Kulturpraxis! Es geht nicht um die populäre Selbstrepräsentation eines arrivierten Bildungsbürgertums.
Hier geht uns um jene, die erst kommen oder sein werden; nämlich Bürgerinnen und Bürger (Citizens) der nahen Zukunft, also auch unsere Kinder. Das ist eine klare kulturpolitische Position.
Für die Kulturarbeit nennt Wieser ein Prinzip, das man als anderen Begriff für eine pluralistische Gesellschaft verstehen kann: Unity and Diversity, also Einigkeit und Diversität, Vielfalt.
Über diese Fragen werden dann auch Trennlinien deutlich, was gute bis nette Unterhaltung sei und was ein kulturelles wie kulturpolitisches Engagement auf der Höhe der Zeit ausmacht. Es geht um die Einlassung auf Prozesse, da sich weltweit Gesellschaften in massiven Umbrüchen befinden, die sehr wesentlich von neuen Verteilungskämpfen befeuert sind.