Regionale Kulturarbeit neu

Nach den letzten Gemeinderatswahlen sind die Gemeindefusionen dieser Ära abgeschlossen und die Gemeinderäte wie auch Ausschüsse besetzt. Wir wissen nun, wer wofür zuständig ist. Für mich ist es unverzichtbar, ein Reihe von Gesprächen mit politischen Kräften zu führen, um mich in kulturpolitischen Fragen vor Ort orientieren zu können.

Bürgermeister Robert Schmierdorfer (Albersdorf-Prebuch)

Bürgermeister Robert Schmierdorfer (Albersdorf-Prebuch)

Dabei ist primär interessant, daß nun die Kleinregion Gleisdorf wieder als Bezugsrahmen betont wird. Das war nämlich vor einer Weile deutlich zurückgestellt worden. Nun sind es vier Gemeinden, Albersdorf, Gleisdorf, Hofstätten und Ludersdorf, innerhalb derer einige Aufgaben geteilt werden.

Ich erlaube mir, die Kurzformen der Gemeindnamen zu nutzen, denn Doppelnamen wie Albersdorf-Prebuch sind noch ein Erbe früherer Gemeindezusammenlegungen, in der Handhabung fast so lustig, wie Ehepaare mit zwei Vornamen und dem verbreiteten Doppelfamiliennamen.

Mit den Bürgermeistern Peter Moser (Ludersdorf) und Robert Schmierdorfer (Albersdorf) habe ich nun schon Gespräche geführt, Christoph Stark (Gleisdorf) hat vorerst um Geduld gebeten, die Stadt ist ja eben auf rund 10.000 Seelen angewachsen. Da hat sich auf seinem Tisch vieles angesammelt.

Kleine kulturgeschichtliche Fußnote: Für Aristoteles war 10.000 etwa das Limit für ein taugliches Gemeinwesen, bei Zuwachs empfahl er die Einrichtung von Kolonien.

Ich bin gerade noch sehr unter dem Eindruck des aktuellen Gesprächs mit Schmierdorfer, der für eine ursprünglich rein agrarische Gemeinde steht, die heute eine vorgelagerte Industriezone hat und sich in dieser wirtschaftlichen Veränderung auch einige Aspekte urbanen Lebens holte.

Das ist eine sozialgeschichtlich sehr interessante Entwicklung, auch Kombination. Ich hab diesen Raum, in dem Albersdorf besteht, immer als einen Korridor zwischen Gleisdorf und Weiz empfunden, der jene Entwicklungen repräsentiert, durch die das vormalige Armenhaus der Monarchie zu Wohlstand kam.

So sind ja etliche Betriebe in diesem Korridor ausgesprochene High Tech-Schmieden. Was von Magna-Steyr ansässig ist, hat außerdem im Zusammenhang mit Lehrlingsausbildung Gewicht. Einige Institutionen in Gleisdorf und Weiz haben überdies mit Forschung und Entwicklung zu tun.

Das bedeutet, die Energieregion repräsentiert auch auf sehr grundsätzliche Art, was Europa einst groß gemacht hat; geschichtlich betrachtet eine weltweit einzigartige Dichte an Wissenschaftern und Facharbeitern.

Führe ich Gespräche in den Geschäftsleitungen größerer Betriebe, scheint mir, genau das sind auch wesentliche Punkte um die ökonomische Zukunft nicht bloß Österreichs, sondern Europas zu festigen. Ein Bereich, in dem wir als Nation leider derzeit merklich schwächeln.

Man könnte fragen: Was schert das einen Künstler?

Diese Frage kam wenigstens implizit auch im Gespräch mit Schmierdorfer daher, der ganz unverblümt meint, was das denn solle mit der Kunst, für die öffentliches Geld bewegt wird. Wir leben gerade einen Abschnitt, wo viele meiner Kolleginnen und Kollegen derlei Fragen nur mit Empörung beantworten würden, um dann verärgert abzuziehen. Mumpitz!

Bürgermeister Peterr Moser (Ludersdorf-Wilfersdorf)

Bürgermeister Peterr Moser (Ludersdorf-Wilfersdorf)

Wenn wir in der Kultur- und Wissensarbeit solche Fragen nicht beantworten können, ist es aussichtslos, die Nutzung öffentlicher Gelder zu beanspruchen; es wäre kaum machbar, kulturelles Engagement in der Region auf eine neue Ebene zu bringen. Das ist also eine erfrischende Themenstellung und die Frage möchte ich notiert wissen: „Was soll das mit der Kunst eigentlich?“

Die letzten Jahre haben klar gezeigt:
+) Die Finanzierung von Kunstproduktion ist in kleinen Gemeinden nicht verhandelbar.
+) Die Kreativen der Region, denen man sich in Gemeindestuben verpflichtet fühlen mag, gehören zu mindestens 80 Prozent dem Genre der Voluntary Arts an und haben an Gegenwartskunst eher kein Interesse.

Allfällige Zuschüsse für die Voluntaries sind dabei eher soziale Maßnahmen, wie auch ein Feuerwehrfest oder eine Adventfeier von Gemeinden unterstützt werden. Sie wären, bei redlicher Betrachtung, eigentlich der Volkskultur zuzurechnen.

Das schließt freilich keineswegs aus, in der Provinz auch Positionen der Gegenwartskunst zu halten. Dafür brauchen wir allerdings völlig andere Zusammenhänge und Strategien. Das sind Überlegungen, wie wir sie heuer in unserem Kunstsymposion bearbeiten.

— [Generaldokumentation] [Kunstsymposion] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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