Wir haben die letzten Jahre genutzt, jeweils im Herbst Positionen der Gegenwartskunst zu zeigen und die Grundlagen wie die Bedingungen der Kunstpraxis zu debattieren. Dieser Prozeß läuft weiter.
Den Angelpunkt des Diskurses besetze ich gemeinsam mit dem serbischen Künstler Selman Trtovac. Er kommt aus einem völlig anderen Bezugssystem. Sein Weg in die Kunst war ebenfalls grundlegend anders als meiner. Er lebt und arbeitet unter anderen Bedingungen. Wir stehen also in einer Praxis des Kontrastes zueinander. Das sollte für die laufende Debatte von Vorteil sein.
Was die soziale Situation von Kunstschaffenden angeht, floriert ein Mythengeschäft, dem gegenüber ich mehr Klartext bevorzuge. Ein Leben in der Kunst oder wenigstens mit der Kunst, hat an der Basis zwei wesentliche Statements zu vergeben:
a) Ich bin ökonomisch und sozial so potent, daß ich mir die Befassung mit einem so brotlosen Metier leisten kann.
b) Ich bin in meiner Genügsamkeit so diszipliniert und in meinem Willen so stark, daß ich mir dieses brotlose Metier leiste.
Das sind zwei gleichermaßen soziale wie politische Aussagen. Im Falle einer Kontroverse wird der Habenichts und der Besitzende zur selben Mitteilung gelangen: „Du leckst mich am Arsch, denn ich leiste mir das!“ So gesehen ist die Befassung mit Kunst eine sehr demokratische Angelegenheit, auch wenn vor allem ein betuliches Bildungsbürgertum so simple Grundlagen gerne mit seinem spießigen Überbau befrachtet.
Ich will den sozialen Ballast des Themas weder ignorieren, noch in seiner Bedeutung kleinreden. All das bleibt jedoch ein Nebenschauplatz. Die Befassung mit Kunst mag ja ein respektables soziales Distinktionsmerkmal sein, hat aber andere Prioritäten. Es geht unter anderem um wachsende Kompetenzen auf dem Feld des symbolischen Denkens.
Reichlich skurril, daß Österreichs Gesellschaft dieses Thema auffallend gering schätzt und es vorzugsweise für soziale Nebenschauplätze funktionalisiert.
Apropos soziale Belange! Österreich hat zwar eine wesentlich bessere Gesamtverfassung als Serbien, doch hier wie dort gibt es keinen Kunstmarkt, der es möglich machen würde, daß man allein aus künstlerischer Tätigkeit ein angemessenes Jahreseinkommen bezieht.
Die wenigen Ausnahmen, denen das gelingt, sind von so geringer Zahl, daß sie für eine kulturpolitische Argumentation nicht ins Gewicht fallen. Wir haben also für ein Künstlerdasein höchst unterschiedliche Lebenskonzepte zu berücksichtigen.
Zur Geringschätzung, die man an der Gegenwartskunst oft festgemacht sieht, gehört eine lange Geschichte der Untertanen, die sich offenbar bis heute schmackhaft machen lassen, daß hohe Kompetenz im symbolischen Denken und ein Hang zum Vielwissen unnötige Tugenden seien, die man gerne als „abgehoben“ und „elitär“ diskreditiert. Der Untertan nimmt dabei in Kauf, daß ihn tatsächliche Eliten in der Nutzung solcher Kompetenzen gerne übervorteilen, übersteuern, über den Tisch ziehen.
Das zeigt übrigens auch gerade Österreichs Tagespolitik, welche uns derzeit Wahlen beschert hat, durch die deutlich wird: Da reüssiert zunehmend ein politisches Personal, dessen Niveau zu erreichen niemandem mehr Mühe bereitet.
Anders ausgedrückt: Da kommen viele so flach daher, denen muß sich kein Depp mehr unterlegen fühlen und kann sich daher jede Anstrengung um Wissens- und Kompetenzgewinn ruhig ersparen.
Das sind freilich nicht die Leute, von denen die Welt bewegt wird. Das ist bloß die Entourage derer, welche die Welt bewegen. In unserem Leben als Künstler wären wir mit vergleichbar bescheidener kognitiver und intellektueller Ausstattung nicht einmal zur Statisterie qualifiziert.
Jeder gute Handwerker muß einerseits sein Handwerk beherrschen, andrerseits auch sein Metier kennen und sich auf seinem Terrain orientieren können. Das ist in der Kunstpraxis nicht anders.
Symbolisches Denken bedeutet zum Beispiel, daß ich Dinge denken kann, die nicht da sind. Kein Bereich des modernen Lebens könnte ohne diese Kompetenz erblühen, vorankommen. Daß ich mir und uns eine Zukunft denken kann, gibt mir den Anlaß und die Möglichkeit, Ziele zu formulieren, Pläne zu machen.
Wir Menschen interessieren uns für Dinge, die es nicht gibt, und wir sprechen darüber. Das ist eines der Fundamente von Kultur; neben der Fähigkeit zur Kooperation.
Während wir freilich in der Alltagsbewältigung auf konkrete Ergebnisse angewiesen sind, darf mein Weg in die Kunst völlig ergebnisoffen bleiben. Ich darf dabei sogar den Widerspruch genießen, denn das Eliminieren von Widersprüchen führt in der Kunst nur selten zu interessanten Wahrheiten.