Es haben sich nun im Gefüge des 2015er Kunstsymposions zwei Kreise gefestigt, in denen die Arbeit an den Teilthemen Gegenwartskunst, Populärkultur und Mobilitätsgeschichte personell besetzt ist. In dieser Community ist die Kunst nur ein Genre unter mehreren. Daher lag zum Beispiel im Teilbereich „Fiat Lux“ die Frage auf dem Tisch, ob denn das, was wir gemeinsam begonnen haben, nun ein Kunstwerk sei; und falls ja, wodurch es dazu werde.
Diese Frage stellt sich auch, da unser Projekt als kollektive Kunstpraxis angelegt und erklärt ist. Dabei bleibt der Prozeß in der Gesamtaufstellung ja von anderen Metiers als dem der Kunst dominiert. Nun sind auf der materiellen Ebene Handwerk und Kunstpraxis so eng verzahnt, stellenweise in Deckung, daß es an diesem Punkt keinen Klärungsbedarf gibt.
In der materiellen Umsetzung einer Idee ist der Künstler schon lange nicht mehr unerbittlich selbst gefordert. Das war in Malwerkstätten oder Gießereien früherer Jahrhunderte so, das ist heute mehr denn je so, wo inzwischen allerhand neue Techniken hinzugekommen sind. (Selbst Bilhauer lassen minunter hauen, liefern nur das Konzept.)
Wir haben daher über Intention, Kontext und Zielsetzung zu reden. Dort ist die Kunst zuhause. Das macht den Unterschied, ob ein Artefakt der Kunst oder anderen Genres zugerechnet wird. Ich finde mich da in der Kunsttheorie von Boris Groys, der gemäß Relationen bestimmen, wo und wie ein Artefakt gerade zugeordnet werden kann.
Was mich an Groys so fesselt, ist das Dynamische seiner Auffassung. Er setzt zwei Räume zueinander in Beziehung. Werke wandern zwischen diesen Räumen hin und her, je nachdem, ob sie gerade auf- oder abgewertet wurden.
Den einen Raum nennt er das „kulturelle Gedächtnis“. Das andere ist der „profane Raum“ mit seinen Gegenständen der Massenkultur. Ein Raum des Alltagslebens, der Natur, der spontanen Volkskultur etc.
Der Unterschied zwischen den beiden Räumen ist positionsgebunden, verändert sich daher ständig. Die jeweilige Zuordnung von Werken erfolgt über deren Aufwertung (Valorisierung) oder Abwertung (Trivilaisierung).
Groys stellt fest:
„Von keiner Sache, Form, Sprache oder kulturellen Gepflogenheit läßt sich also a priori sagen, ob sie nun zur hohen valorisierten Kultur gehört oder zum profanen Raum.“
Ich denke, das korrespondiert sehr deutlich mit unseren Alltagserfahrungen. Groys betont, daß kulturelle Phänomene um diese Grenze herum unablässig fluktuieren und dabei ihre Positionen zu ihr laufend verändern. (Das meint die Grenzen zwischen kulturellem Gedächtnis und profanem Raum.)
Das sollte uns vor allem auch im Engagement für Wissens- und Kulturarbeit bewußt bleiben. Kulturelle Phänomene fluktuieren um diese Grenze. Sie können stets neu auf- oder abgewertet werden.
Es scheint zwar, daß zum Beispiel kanonisierte Werke der Kunst davon ausgenommen seien. Van Goghs Sonnenblumen oder Da Vincis Mona Lisa sind von der Aura umgeben, als Kunstwerke außer Diskussion zu stehen und daher einen fixen Platz im Kunstkanon zu haben. Aber was sagt das schon?
Wir kennen heute unzählige Namen nicht mehr, die in der Kunstwelt zu ihrer Zeit hohen Rang hatten. Falls es die Menschheit noch zehntausend Jahre macht, ist doch sehr fraglich, ob dann die genannten Werke noch von bedeutung sind.
Es reicht also völlig, sich gegenwärtig in der Zuwendung zur Kunst um hohe Qualität in der Bewältigung der künstlerischen Aufgabe zu bemühen. Der Seitenblick auf die Ewigkeit ist eine völlig nutzlose, vor allem unsinnige Übung.