In den Diskursen der Volkskunde sind mir bei Beschreibungen der Orientierung von Gemeinschaften drei Aspekte aufgefallen: Lebensqualität, Genußleben und Zukunftsfähigkeit. Das umreißt, wonach Einzelpersonen streben mögen, das markiert auch Motive im Gruppenverhalten ganz passabel.
Wie und wo finde ich diese Themen in meinem Lebensraum als Gegenstand öffentlicher Diskurse und kulturellen Engagements?
Wir haben heuer einen Gemeinderats-Wahlkampf erlebt, der kam ohne jede kompetente Bezugnahme auf die Themen Kunst und Kultur aus. Siehe dazu die Beiträge bezüglich dieser Wahlen unter „Kultur kurios“: [link]
Der aktuelle Landtagswahlkampf ist darin kaum besser. Obwohl gerade die Volkskunde sehr detailgenaue Anregungen bietet, worauf man in kulturpolitischen Fragestellungen achten könnte, scheint ein Gros von Funktionstragenden zu diesem Stichwort weiter auf jene Teilbereiche konzentriert zu bleiben, die der alten bäuerlichen Welt zugeordnet werden müssen, weitgehend nicht einmal der des 20. Jahrhunderts.
Wir haben ein mehrjähriges, komplexes Gesamtvorhaben angebahnt, zu dem augenblicklich die Konsolidierung der Projektvorbereitungsphase und das Zusammenführen der einzelnen Arbeitskreise gelingen soll, um mit stabilen Arbeitsformationen in die kommenden Jahre zu gelangen.
Dabei wird es nicht mehr darum gehen, die prekäre kulturpolitische Situation in den hundertsten gleichlautenden Befund zu schreiben. Diese seit vielen Jahren exzessiv betriebene Befundschreiberei kann ohnehin nicht mehr überboten werden, seit heuer die IG Kultur Steiermark den „Niedergang der Steiermark als Standort innovativer Kulturproduktion“ in Aussicht gestellt hat: [Quelle]
Was wir zu den Befunden nun langsam bräuchten, sind Strategien, mit denen wir auf jeden Fall unsere Kultur- und Wissensarbeit, auch unsere Kunstpraxis, voranbringen, ohne grundlegend selbstbestimmte Positionen vom Agieren der Politik abhängig zu machen.
Ab da mögen sich Situationen ergebenen, in denen wir mit Politik und Verwaltung, auch mit der Wirtschaft zu nächsten Übereinkünften finden können.
Darin liegt übrigens einer der Gründe meines nun schon längere Zeit verstärkten Interesses an der Volkskultur und Volkskunde. Es geht mir um Standortbestimmungen für die aktuelle Wissens- und Kulturarbeit. Es geht mir um Klärungen, welche Rollen derzeit für Kunst- und Kulturschaffende in dieser Gesellschaft Relevanz haben und welche kulturpolitischen Argumente sich daraus ableiten lassen.
Diese Argumente kann ich nicht vom Feld der Gegenwartskunst herleiten, weil dieses Genre zu Recht viel zu sehr auf Autonomie und Selbstbestimmung aus der Kunst heraus abgestellt ist. Man könnte es verkürzt so ausdrücken: Um kulturpolitisch FÜR die Kunst zu argumentieren, finde ich wichtige Gründe auf dem Feld der Volkskultur.
Meine aktuelle Arbeit am Teilprojekt „Fiat Lux“, mit dem derzeit unser 2015er Kunstsymposion schon greifbar wird, bestätigt diesen Zugang und unterstreicht die Option, heute Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in eine engere Wechselwirkung zu bringen.
Dabei sollte nicht verwechselt werden, worauf meine Intention zielt. Der alte Modus legt nahe, daß die Kunst zu Wirtschaft und Wissenschaft schielt, um herauszufinden, was man dort an Ressourcen akquirieren könnte. Zum Beispiel Cash von der Wirtschaft und Legitimation von der Wissenschaft. Aber das ist eben Old School, das ist voriges Jahrhundert.
Mich interessieren Prozesse kollektiver Kunstpraxis, in denen die Kompetenzen der verschiedenen Genres in Wechselwirkung gebracht werden. Es soll also keines der anderen Metiers zur Magd der Kunst werden, sondern es sollen in der Bearbeitung von Themen und Aufgabenstellungen kraftvolle Synergien wirksam werden.
Darum lautet das Generalthema, wie es aus den Vorarbeiten der letzten Jahre resultiert: Die Ehre des Handwerks, das Gewicht der Kunst, der Geist in der Maschine. Das bezieht sich a) auf alte und neue Formen der Handfertigkeit, b) auf Gegenwartskunst und c) auf eine zukunftsorientierte, EDV-gestützte Technologien, wo Elektronik und Mechanik in ihrem Verhältnis zueinander zunehmend neu gewichtet werden.
Zurück zu den eingangs genannte Kategorien Lebensqualität, Genußleben und Zukunftsfähigkeit. Da läßt sich ja sehr gut klären, wie unverzichtbar ein anregendes geistiges Leben ist, was entsprechende kulturpolitische und praktische Vorhaben verlangt.
— [Fiat Lux] [Generaldokumentation] —