Die Oststeiermark ist heute im Raum zwischen Weiz und Gleisdorf mit Vollbeschäftigung gesegnet. Daran knüpfen sich nicht bloß wirtschaftliche, sondern auch soziale und kulturelle Fragen. Können wir diese günstigen Lebensbedingungen erhalten, stabilisieren? Was ist dazu nötig?
Es gibt alte Erfahrungen, altes Wissen, woher wir Anregungen beziehen können. Dorfgemeinschaften kannten einst die Allmende. Das ist gemeinschaftliches Eigentum. Vorzugsweise gemeinsames Grundeigentum einer Dorfgemeinschaft. Außerdem war für manche Annehmlichkeiten Gemeinarbeit nötig, daß also die Dorfgemeinschaft füreinander unentgeltliche Leistungen erbrachte.
Heute würde man das Gemeinwesenarbeit nennen. Sie hat nicht bloß den Zweck, in der Alltagsbewältigung manche Aufgaben zu erledigen. Sie ist seit jeher vor allem soziales Ereignis, Kommunikationsraum, und fördert so die Gemeinschaft im gemeinsamen Tun.
Wir kennen heute viele Formen von ehrenamtlichem Engagement der Menschen, das quasi ein zeitgemäßes Erbe der „Gmoaoarbeit“ darstellt. In jeder Gemeindestube der Dörfer, in jedem Rathaus der Region wird man ihnen bestätigen, daß wir ohne solche sozialen Leistungen der Bürgerinnen und Bürger um Kategorien schlechter gestellt wären.
Daß sich derlei spezielle Engagements auch auf dem Feld von Kunst und Kultur entwickelt haben, ist zwangsläufig jung, weil erst nach dem Zweiten Weltkrieg jenes Maß an gesicherter Freizeit in einem neuen Wohlstand zu ausreichendem Raum für das Ausleben kultureller Wünsche und Ansprüche führte.
In der heutigen Energieregion Weiz-Gleisdorf kennt man solche kulturellen Phänomene seit den 1980er Jahren. Aus der Tradition regionaler Kulturinitiativen stammt der Begriff „Gemeinwesenarbeit“. Sie war konzeptioneller Teil dessen, was auch in der Oststeiermark als „Eigenständige Regionalentwicklung“ verstanden wurde.
Ein Wegbereiter solcher Denk- und Arbeitsweisen war in den 1980ern der SO Verein, dem der Verein Reiz vorangegangen war.
So stammt etwa von REIZ eine „Erhebung Kulturschaffender und kultureller Initiativen des Bezirkes Weiz“ durchgeführt vom November 1984 bis zum Dezember 1985. (Unter den damaligen Aktiven dieses Vereins findet man auch den heutigen Weizer Bürgermeister Ewin Eggenreich.)
Die Kulturinitiativen der Region bezogen wichtige inhaltliche Impulse etwa von der ÖAR (Österreichische Arbeitsgemeinschaft für eigenständige Regionalentwicklung), welche bis in die Gegenwart besteht. Zu ihren frühen Denkern und Akteuren zählte beispielsweise Luis Fidlschuster, der heute österreichweit für das EU-Programm LEADER zuständig ist.
Parallel zu diesen gut dreißig Jahren regionaler Kulturpraxis, die nie bloß der Selbstdarstellung Kunstschaffender gewidmet war, hat die Volkskunde in ihrer Betrachtung der Volkskultur kritische Diskurse geführt, von denen vieles mit dem korrespondiert, was die regionale Kulturarbeit für sich als Aufgaben und Zielsetzgen fand.
Ethnologe Dieter Kramer bezieht sich in der Sache „Allmende“ stark auf die Arbeit von Elinor Ostrom. In seiner Schrift „Kulturpolitik neu erfinden“ gibt er diesem Themenzusammenhang reichlich Raum, greift aber auch andere Diskussionen auf.
Es geht um die aktuelle Klärung, was wir an „mentaler Infrastruktur“ brauchen. Dazu betont Kramer an einer Stelle: „Wer nicht weiß, wohin er will, kommt auch nicht ans Ziel, selbst wenn er schneller wird.“
Wir haben in seinem Sinn zu erörtern, wie wir Fragen der Lebensqualität und des Genußlebens zueinander anordnen möchten, was wir für die (Über-) Lebensfähigkeit und Zukunftschancen einer Gesellschaft zustandebringen. Das schließt natürlich Friedensfähigkeit und äußere Sicherheit ein.
In diesem Zusammenhang wird es uns kaum nützen, wollten wir die Kultur zu einer Magd der Wirtschaft machen, wir brauchen Denkräume und Praxisfelder, um unsere Ideen zu erproben, quasi eine geistige Allmende, die wir kollektiv bewirtschaften.
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