Ich kenne kaum mehr als dieses eine wesentliche Arbeitsprinzip: Folgerichtigkeit. So kann ich hinter den übernächsten Horizont Kurs aufnehmen, ohne wissen zu müssen, wie es dort aussieht. Das verschafft ausreichend Spielraum, unterwegs Variationen, Abweichungen zuzulassen.
Ein kurioses Beispiel, das sich über mehrere Jahre entfaltete. Im Jahr 2009 habe ich zu einer Ausstellung eine kleine Geschichte der Spielzeugautos verfaßt: [link] In diesem Büchlein kommt unter anderem ein minimalistisch ausgeführtes Auto vor, das für sehr kleine Kinder gemacht ist; robust und frei von den meisten Details.
Rund fünf Jahre später war ich auf der Suche nach dem einzigen Miniatur-Pucherl, das aus der Zeit des Originals stammt. Die Grazer Firma GOWI hatte in den 1950ern gezeigt, was der Betrieb leisten kann. So entstand ein aufwendig detaillierter Steyr-Puch 500, zirka Maßstab 1:20, der in zwei Karosseriefarben – rot und blau – hergestellt wurde.
Marco Paul lud mich in die Firmenzentrale ein, wo ich diese rar geworden Spielzeuge fotografieren konnte. Ich hatte ihm das genannte Büchlein mitgebracht, bei dessen Durchsicht er zum „Speed Buggy“ anmerkte: „Ah, der ist von uns.“
Im Herbst nach dieser Begegnung hatte ich den ersten Versuch mit der Veranstaltung „Mythos Puch“ [link] realisiert, um das Thema Mobilitätsgeschichte quasi auf die Straße zu bringen. Dazu konnte ich unter anderem einen GOWI-Puch gemeinsam mit einem Unikat zeigen. Vom Grazer Johann Puch-Museum hatte ich das Holzmodell des Prototypen U3 borgen können.
Das war einer der Anlässe, um dieser Formengeschichte einmal intensiver nachzugehen. An den beiden Modellen erkennt man, daß das zur österreichischen Folklore gewordene Puch-Schammerl ursprünglich als kleine „Berline“ angelegt war, mit klassischem Stufenheck.
Es wurde aber schließlich der geniale „Ovoid“, den Ingenieur Dante Giacosa mit Giuseppe Alberti, dem Chef der Karosserieabteilung von Fiat, für den nuova 500 entwickelt hatte; siehe dazu: „Woher kommt das Puch-Häusel?“ [link]
Diese markante Form zitierte Fiat 50 Jahre danach in einer Neudeutung auf Panda-Basis und landete damit einen erheblichen Verkaufserfolg. Die aktuellen Fiat 500 fahren uns inzwischen alltäglich um die Ohren.
Genau dieses Formenspiel innerhalb des Zeitfensters 1957/2007 wurde zu einem attraktiven Motiv, als ich in der Debatte mit Unternehmer Ewald Ulrich nach einem passenden visuellen Code suchte. Ulrich ist im Hightech-Bereich auffallend erfolgreich, kombiniert Feinmechanik mit EDV, befaßt sich mit komplexen Licht-Lösungen, hat sehr grundlegend mit Kybernetik zu tun, also mit den Fragen der Steuerung von Systemen.
Unsere Diskussionen betreffen das Thema „Geist in der Maschine“ und folglich auch die Mensch-Maschinen-Interaktion. Wir nahmen uns vor, für das 2015er Kunstsymposion einen Prozeß in Gang zu bringen, der eine Erzählung in eine Maschine übersetzt. Diese Maschine soll sich mit Menschen auf basale Art verständigen.
Ich hab dann eine passende Schale besorgt, eine selbsttragende Kunststoff-Karosserie, die entsprechend technisch aufgerüstet werden kann und nicht zu klein ist, um die nötige Technik schlucken zu können. Das kommende Artefakt soll ja hinreichende Präsenz zustandebringen, wenn es in die Begegnung mit Menschen fährt.
Story, Konzept, technische Umsetzung, da fehlte aber noch die visuelle Lösung, die Frage der Körperlichkeit des Maschinchens. Hier kamen nun zwei versierte Industriedesigner ins Spiel. Alfred Urleb und Willi Gangl (Wigl Design) fanden Gefallen an der Projektidee und der Option, diese Formengeschichte über das halbe Jahrhundert hinaus eigenwillig weiterzuzeichnen.
Nun kommt so ein spezieller Moment in der Frage nach Folgerichtigkeit zum Vorschein. Was ich nämlich in der Anbahnung mit Urleb und Gangl erst nicht wußte, der eingangs erwähnte Speed Buggy stammt von ihnen, wie auch eine mehrjährig erarbeitete Serie von GOWI-Produkten.
Damit aber nicht genug. Als wir uns zu einer Auftaktsituation für die konkrete Umsetzungsarbeit trafen, wobei ich die Hintergrund-Story ausgebreitet habe, war zu erfahren, daß beide ihren Berufsweg im Grazer Puchwerk begonnen hatten. Das ist in Summe eine ziemlich verblüffendes Ausmaß an Verstrickungen innerhalb dieser Geschichte.
Post Sriptchen:
Vergleicht man den Speed Buggy mit der etwas gedrungenen Umsetzung der 500er-Schale, die wir als Basis des Artefakts verwenden, fällt auf, daß der Buggy wie eine erneut reduzierte und etwas gedrungenere Form des 500ers erscheint.
+) Fiat Lux [link]
+) Gleisdorfer Kunstsymposion 2015 [link]
+) Generaldokumentation [link]