Im Verhältnis von Zentrum und Provinz besteht bis heute ein erhebliches Gefälle der Mittel und Möglichkeiten. Die historische Situation, daß Zentren entstehen, indem sie ihre Peripherie zur Provinz machen, scheint ungebrochen. Sollte sich eine private Kulturinitiative dennoch Strukturen wie in urbanen Räumen wünschen?
Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz hat ihre sehr speziellen Grundlagen. Der Erhalt eines eigenen Hauses ist so kostenintensiv, daß man gut überlegen muß, wie viel an Mitteln jemand dem laufenden Programm vorenthalten möchte, um die Hütte zu pflegen.
Kunst Ost geht in seiner Genese auf die „Virtuelle Akademie Nitscha“ (v@n) zurück. Das war seinerzeit eine der überhaupt ersten Netzkultur-Initiativen Österreichs. (Davon zeugt heute noch die Domain der v@n: www.van.at.)
Ein wesentliches Motiv dieser Konzeption lag in eben den erheblichen Kosten, einem Mehrsparten-Projekt ein fixes Haus zu bieten. Diesen Aufwand wollten wir hauptsächlich in die laufende Arbeit und ihre Inhalte stecken. Die Orte dafür sollten stets TEMPORÄRE ORTE sein.
Bei meinem Faible für Betriebsstätten, für Plätze, an denen die Arbeitswelt ihren Alltag hat, war es naheliegend, immer wieder die Gastfreundschaft von Geschäftsleuten zu erbitten, um deren Häuser zu temporären Orten des Kulturgeschehens zu machen.
So ereignet es sich gerade, wo ich einen Teil des Stammsitzes der High Tech-Firma Ana-U zu einem temporären Konvergenzraum machen durfte, um dort für eine Weile meine „Wunderkammer“ einzurichten; als Teil des „Aprilfestival“ 2015: [link]
Mit besonderem Vergnügen erinnere ich mich an die erste formelle Landeskonferenz im Kontext LEADER-Kultur. Die konnte ich, unter einigem Ringen, in eine Autowerkstatt packen. Bei Ford Jagersberger in Weiz war man mir in dieser Ambition sehr entgegengekommen. Das war Teil unseres 2010er „Aprilfestival“: [link]
Ein besonders anregendes Vergnügen war unsere prozeßhafte Zusammenarbeit mit einem Team der „Kollektiven Aktionen“ aus Moskau („steirischer herbst“ 2010): [link] Das ist eine der bedeutendsten Konzeptkunst-Formationen der Gegenwart. Dabei genossen wir die Gastfreundschaft im Technikbüro Ingenos: [link]
Das außergewöhnlichste Setting hatten wir freilich 2012 beim ersten Gleisdorfer Kunstsymposion: [link] Die Veranstaltung fand in der Rundhalle des Industriebetriebes Binder +Co statt; bei laufendem Betrieb. Dazu mußte freilich deren Arbeit so gewichtet sein, daß sich der Lärmpegel in Grenzen hielt. Für das Symposion war eine gut gemischte Tonanlage nötig.
Der kurioseste Ereignisort war allerdings quasi eine mobile Firma. Wir haben 2005 einen fahrenden Zug mit einem Symposion bespielt: „The Cybertrail: The Locomotion“ [link]
Zwischendurch waren immer wieder Schaufenster geeignete Bühnen, um entweder Werke zu zeigen, oder darin kleine Konferenzen zu absolvieren. Hier ein 2013er-Beispiel im Fenster von Sport Pilz: [link]
Das war einige Zeit sogar konzeptionell präziser gefaßt; in „Gleisdorf, ein L für die Kunst“: [link] Dafür hatte ich in der Innenstadt eine deutliche Markierung gesetzt, mit Geschäftsleuten Absprachen getroffen und begonnen, dem Zentrum eine spezielle Bühne zu geben, welche Kulturschaffende hätten permanent bespielen können. Die Bühne: [link]
Das ließe sich so weitererzählen. Ein Ausleuchten der Verhältnisse zwischen öffentlichem und privatem Raum. Ein Bespielen der Außenhaut der Innenstadt.
Eine Serie von Einschüben des Kulturellen und Künstlerischen in die Geschäftsräume des wirtschaftlichen Alltags. Wir werden zu überprüfen haben, was davon heute Nutzen verspricht.
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