Netzkultur: Besuche und Reichweiten

Wir haben uns in der Kulturspange für die nahe Zukunft wieder stärker dem Thema Netzkultur verschrieben, das an die Fragen nach Medienkompetenz geknüpft ist. Dabei sind Kunst Ost und Fokus Freiberg derzeit auf dem Weg in eine intensivere Arbeitsphase.

Die Digitalisierung vieler unserer Alltagsangelegenheiten ist umfassende Realität (Digitale Wanduhr, gesehen bei Christoph Stark)


Das sind keine akademischen Überlegungen. Wir gehen von Fragen der Kunst aus und sind dabei sehr schnell beim Alltag im regionalen Leben. Kollektive Kulturpraxis in der Provinz, das handelt von räumlichen Distanzen und vom Mangel an vielen Strukturen, die im Landeszentrum für selbstverständlich gehalten werden.

Raumüberwindung heißt einerseits: Fahrzeuge benutzen. Es heißt aber andrerseits auch Telekommunikation und Teleworking. Das bedeutet für uns ebenso Telepräsenz. Auf welche Art sind nun welche Inhalte kommunizierbar? Welche Reichweiten tun sich dabei auf? Welcher Arbeitseinsatz empfiehlt sich?

Wir bauen dazu gerade eine Anordnung auf, die Interessen, Themen sowie Möglichkeiten von Laien und Profis kombiniert. Darin ist eine möglichst realistische Einschätzung der Möglichkeiten vorteilhaft. Seit das World Wide Web preisgünstige Zugänge bietet und zu unser aller Alltag gehört, gab es mehr als einmal eine Kultur der völligen Überschätzung, in der reale Trends teilweise unterschätzt bis übersehen wurden.

Eine ungewöhnliche Ausnahmeerscheinung: Über dreitausend Zugriffe innerhalb von bloß 24 Stunden

Was ist also ein zutreffendes Maß der Dinge? Was können wir als Kulturschaffende mit adäquater Mediennutzung gewinnen? Was ist daran Illusion?

Ich darf ein paar grundlegende Fakten in Erinnerung bringen. Was manche Zähler als Besuchszahlen einer Website vorgeben, sind in Wahrheit Hits, also die Summe aller aufgerufenen Dokumente. Diese oft sehr hohen Zahlen sagen uns für den laufenden Betrieb eher nichts.

Was sind dagegen Visits, also tatsächliche Besuche konkreter Personen? Was war die Verweildauer? Es macht einen essentiellen Unterschied, ob jemand zehn Seiten aufruft und nach 30 Sekunden wieder weg ist, oder ob jemand die Beiträge auch tatsächlich liest, was ja nach etwas mehr Verweildauer fordert.

Grundsätzlich darf man annehmen: Wenn ich bestenfalls ein, zwei mal im Monat irgend etwas Neues auf meine Website haue, komm anfängliches Publikum kaum wieder. Das Infomationsangebot muß schon etwas dichter daherkommen.

Ich neige zur Ansicht, daß wir am Leben im analogen Raum Maß nehmen können. Habe ich Tag für Tag 30 bis 50 Leute, die mir zuhören, ist das eine beachtliche Kommunikationssituation. Von Tausenden braucht man nicht zu träumen. Ein Durchschnitt von 150 Leuten pro Tag erscheint mir als außergewöhnlich erfolgreiche Kommunikationslage einer kleiner Kulturinitiative.

Um sein Publikum zu vergrößern und zu halten, sollte man über einen längeren Zeitraum mit einer bloß sanften Aufwärtskurve rechnen und dabei den langen Atem nicht verlieren. Es gibt freilich manchmal überraschende Ausreißer.

Mir ist das eben mit einem Text zu einer Bürgerinitiative passiert, die das benachbarte Almenland gerne „asylantenfrei“ halten möchte: [link] Bei meinem Auftakt-Artikel knallten die Zugriffszahlen durch die Decke und gingen innerhalb von 24 Stunden über die Dreitausender-Marke hinaus.

Das ist bei anspruchsvollen Themen in unserer regionalen Kulturpraxis absolut untypisch. Andere meiner Artikel brauchten für solche Zugriffszahlen zwei Jahre. An einem Tag hab ich das zuvor noch nicht erlebt.

Dabei zeigt eine kleine Statistik, daß der Großteil der Zugriffe über soziale Netzwerke kam, an zweiter Stelle stehen Links, an dritter Stelle direkte Zugriffe. Nur ein Bruchteil kam, weil Leute über Suchmaschinen nach dem Text Ausschau hielten.

Das bedeutet, diese Zugriffszahl ergab sich wesentlich deshalb, weil andere Leute den Text verlinkt haben und das eine kleine Kettenreaktion ergab.

Die Geschichte zeigt uns, daß wir gut beraten sind, eigene Webpräsenzen laufend zu bespielen, diese Engagement aber auch in Social Media wie eben Facebook zu verzweigen. Es sind zwei verschiedene „Ereignisorte“ die sich in Wechselwirkung bringen lassen; und die sich auf deinen dritten beziehen.

Ich halte nämlich daran fest, daß die reale soziale Begegnung im analogen Raum das Hauptereignis ist, jener primäre Ort, den wir dann in die „kühlen Extrazimmer“ des Internet verzweigen. Das meint: Ich bespiele einige Websites mit Stoffen und reflexionen aus dem realen Leben, das verzweige ich dann auch noch in verschiedene Facebook-Leisten.

Post Scriptchen:
Das Vernetzen von Informationen scheint eine große Schwäche der Kulturschaffenden zu sein. Wir haben in den letzten Jahren ständig erlebt, daß nicht einmal fixe kooperationspartner in der Lage waren, gemeinsame Inhalte über ihre Kommunikationskanäle (wie Facebook und eigene Websites) ihrem Publikum nahezubringen. So wird defintiv die Kraft der eigenen Arbeit und des Kollektivs geschmälert.

— [Netzkultur] [Generaldokumentation] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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