Regionale Identität sei ein oft strapaziertes Thema und werde gerne mit „Kulturerbe“ verknüpft, sagt Wissenschafter Günther Marchner. Erbe allein sei aber nicht zukunftsfähig. Identität müsse sich auch auf das einlassen, was einem noch fremd ist, was man nicht kennt.
Es läßt sich auch so deuten: Unsere Zukunft liegt eher nicht in dem, was uns längst vertraut ist. Das Vertraute ist unsere Vergangenheit. Das erweist sich freilich auch als ein Problem der heimischen Kulturszene. Marchner ortet da stellenweise eine „Wagenburg-Mentalität“. Der Modus ist so simpel wie unfreundlich.
„Wer es geschafft hat, möchte keine Diskussionen darüber, sondern will abgesichert bleiben.“ Der kritische Diskurs wird eventuell anderen angedient, aber nicht auf einen selbst angewendet. Marchner: „Das Bestehende ist ja meist legitim. Aber wo ist dann Platz für das Neue?“ Die Pose ist nachvollziehbar: „Wenn etwas für mich gut ist, möchte ich nicht, daß sich etwas ändert.“
Das sind Aspekte des laufenden Geschehens, wie sie dieser Tage zur Debatte standen. Günther Marchner ist Teil der Konferenzen, die sich diesen Herbst in Gleisdof um Fragen der Kunst und der Kulturpolitik drehen: [link]
Dem ging heuer schon eine Kette von Arbeitstreffen und Klausuren voraus. Unter dem Titel „Kulturspange“ ereignet sich ein interregionaler Austausch zwischen Personen, Projekten und Initiativen, um den Status quo zu klären, in dem sich Kultur- und Wissensarbeit abseits des Landeszentrums heute ereignen kann; auf der Höhe der Zeit und mit einem Fokus auf Gegenwartskunst.
Was dabei den Kulturpakt Gleisdorf kennzeichnet, könnte man als „Pedelec-Modus“ bezeichnen. Das „Pedal Electric Cycle“ ist ein Hybridfahrzeug, in dem menschliche Leibeskraft mit einem elektrischen Motor kombiniert wird. Aber im Gegensatz zum motorisierten Scooter kommt die Motorkraft des Pedelec nur ins Spiel, wenn der Mensch die Pedale tritt. Ansonsten bleibt die Fuhre stehn.
Und so ist dieser Arbeitsansatz im Kulturpakt Gleisdorf geregelt. Es gibt keine Instanz, die Kunst- und Kulturschaffende freiweg bedient. Nur wer selbst aktiv wird und sich in diesen Bereich tätig einbringt, kommt auch in den Genuß einer professionellen Begleitung und gemeinsam lukrierter Mittel.
Marchner unterstreicht, daß der Staat natürlich, von so eine Konzept ganz unabhängig, kulturelle Aufgaben habe. Aber das müsse im Detail eben laufend neu verhandelt und vereinbart werden.
In diesem Zusammenhang sei an Gleisdorf interessant, daß es hier schon eine Praxis gibt, in der Kulturpolitik als ein Gestalten und Ermöglichen verstanden wird, das über die formelle Stadtgrenze hinausreicht, in eine regionale Dimension. Eine Gegebenheit, die auf dem Lande keineswegs Standard ist.
Was sich auf Arbeitstreffen hinter den Kulissen stützt, führt über die „Marchner-Konferenz“ [link] nun zu einer abschließenden LEADER-Kulturkonferenz, wobei Gemeinderat Karl Bauer von der „Marchner-Konferenz“ gestern anschließend direkt in eine Sitzung des Gleisdorfer Kulturausschusses ging.
Das ist eine passable Grundlage für jene heute stattfindende regionale Kulturkonfrenz [link] unter Federführung von LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli, mit der ein Übergang markiert werden soll.
In diesem Übergang werten wir gemeinsam aus, was die letzten Jahre an Erfahrungen und Klarheiten gebracht haben. Das soll zu einer neu angeordneten Kooperation von Staat, Markt und Zivilgesellschaft führen.
Heute wird etwa Gleisdorfs Bürgermeister Christoph Stark darlegen: „Wohin hat uns das Leaderprojekt ‚soziokulturelle Drehscheibe: Kunst Ost’ als Stadt gebracht?“ Neben dieser Reflexionsarbeit sind City-Manager Gerwald Hierzi und Kulturreferent Alois Reisenhofer schon längst dabei, die Optionen der Stadt für eine weiterführende Zusammenarbeit zu ordnen.
Die aktuelle Themenstellung für die kommenden Jahre von Kunst Ost lautet übrigens: „Die Ehre des Handwerks, das Gewicht der Kunst, der Geist in der Maschine“.
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