Prolog: Konferenzen. Ich liebe es, wenn Konferenzen auf den Punkt kommen und mir neue Handlungspläne ermöglichen. In unserem Milieu hat es sich die letzten Jahre etwas eingebürgert, Präsentationen und pure Selbstdarstellungen als Konferenzen auszugeben. Selbst Symposionstage müssen als Synonym dafür herhalten. Das ist natürlich Mumpitz. Demnach genieße ich es, wenn es mit manchen Leuten zügig zur Sache geht, weil wir was vorhaben.
Zur Sache: Das Stichwort Netzkultur ist hier lange nicht mehr intensiver genannt worden. Wir ändern das gerade. Ein Labor-Memo (Kunst Ost) vom 15.10.2014 ist diesem Thema gewidmet, markiert den Beginn eines neuen Arbeitsabschnittes. Das kommt daher, weil wir aus der jüngsten Vergangenheit heraus, aus einer Reihe von Arbeitsschritten, einige neue Verbündete in dieser Sache haben.
Interludium: Im Jahr 2010 habe ich zuletzt angesetzt, das Thema Netzkultur neu zu etablieren, damals schon im Rahmen von Kunst Ost; siehe: „Das Kühle Extrazimmer“ [link]
Jetzt aber: Unternehmer Ewald Ulrich, im High Tech-Bereich tätig, hat namens „Fokus Freiberg“ unzwischen die Themenstellung „Creative Genius“ festgelegt und bestätigt. Mit der Technikerin Mirjana Peitler-Slakov führen wir schon länger das „GISAlab“, ein Laboratorium zum Thema „Girls In Science and Art“, das sich vor allem an junge Mädchen richtet.
Das „Blogmobil“ von Heimo Müller hat sich kürzlich bei der Auftakt-Veranstaltung „Mythos Puch“ bewährt und mit Müller besteht schon eine Weile Konsens, daß wir mit unter dem Arbeitstitel „Roadbook“ [link] die Optionen eines mobilen Medienlabors noch weitreichender ausschöpfen könnten.
Es hat sich also schon abgezeichnet, daß wir in unserem Tätigkeitsfeld Medienkompetenzen bündeln, den kompetenten Umgang mit technischen Ausrüstungen forcieren, um so unsere Arbeitsbedingungen als Kulturschaffende zu verbessern.
Siehe dazu auch den kürzlich raufgeladenen Beitrag „Medienkompetenz in der Kulturarbeit“: [link]
Ulrich formuliert seinen Ausgangspunkt für „Creative Genius“ sehr provokant:
„Die Menschheit steht an der Schwelle zur nächsten Lebensform. Das biologische Leben wird in absehbarer Zeit vom künstlichen Leben in Computern abgelöst werden. Die Aufgabe des Menschen ist es primär, diese neue Lebensform zu erschaffen.“
Wir sind uns in dieser Einschätzung keineswegs einig. Das ist für mich aber entsprechend reizvoll. Ulrich weiter: „Künstler reagieren bisher genauso angstvoll auf diese Entwicklung, wie die große Mehrheit der Menschen. Sie versuchen daher dem menschlichen Geist etwas ‚besonderes’ zuzuordnen, auch oder gerade weil jedes Jahr klarer wird, daß dies nur Selbstschutz ist.“
Wir haben also inzwischen einige Optionen auf dem Tisch, zu denen die Arbeitsprozesse diese Jahres geführt haben, zum Teil innerhalb des LEADER-Projektes „Kulturpakt Gleisdorf 2014“.
Ich schreibe hier also über eine Praxis von Know how-Transfer und Kompetenzgewinn, speziell auf Medienkompetenzen bezogen, aber auch im Umgang mit technischen Ausrüstungen.
Dabei ist nicht nur von einem Kompetenzgewinn der Kulturszene die Rede, das gesamte Kooperations-Ensemble (Staat, Markt und Zivilgesellschaft) kann nach innen und nach außen von einem diesbezüglichen Kompetenzsprung profitieren.
Es geht aber auch um Fragen der Kunst und um soziokulturelle wie politische Fragestellungen. Ich möchte nun eine „Gang of Excellence“ herbeigeführt sehen, die hier, in der Provinz, also abseits des Landeszentrums, diese Frage- und Themenstellungen integriert und eine dazu adäquate Kulturpraxis entwickelt; vorzugsweise eine kollektive Kulturpraxis.
Wer hier schon ein Weilchen mitliest und/oder das heurig Kunstsymposion besucht hat, konnte da ebenso, wie auch bei „Mythos Puch“, unsere Themenstellung für die kommenden Jahre entdecken: „Die Ehre des Handwerks, das Gewicht der Kunst, der Geist in der Maschine“.
Das hat übrigens eine spezielle Vorgeschichte. Der kultur.at: verein für netzkultur entstand, wie der Name andeutet, als ein Teil der frühen österreichischen Netzkultur-Szene. Das Labor Kunst Ost steht in dieser Tradition.
Die Arbeits-Website läuft ja seit vielen Jahren unter der Domain van.at. Dieses Kürzel VAN steht für „Virtuelle Akademie Nitscha“. Das war eines der ersten ausgewiesenen Netzkultur-Projekte Österreichs, das schon dokumentiert wurde, da gab es etwa den steirischen Netzkulturknoten mur.at noch gar nicht.
Damit meine ich, in der – soweit ich weiß – ersten österreichischen Studie über Netzkultur ist die VAN eines von dmals erst wenigen beschreibbaren Projekten gewesen.
Übrigens, Nitscha ist eine kleine Gemeinde am östlichen Rand von Gleisdorf, die nun formal zu existieren aufhört, da sie zur kommenden Jahreswende in die Stadt Gleisdorf eingemeindet wird. Wir haben es also bei diesen Vorbedingungen mit allerhand Geschichtsschreibung zu tun. Aber nun steht die Zukunft zur Debatte.
Um also nun für den aktuellen Status einen Angelpunkt zu haben, eine Art Drehscheibe, über welche die verschiedenen hier erwähnten Optionen gut verknüpft werden können, konzipiere und organisiere ich die 2010 mit der „Novi Sad-Session“ [link] eingeführte Arbeitslinie „Talking Commmunities“ neu.
Damals habe ich übrigens den serbischen Philosophen Dragan Prole kennengelernt, der im Vorjahr am Gleisdorfer Kunstsymposion teilnahm. Bei der 2010er-Session in Novi Sad sagte er: „Die Macht ist klug um an der Macht zu bleiben.“ [Quelle] Ein Aspekt, den wir nicht ignorieren sollten!
+) Kunst Ost: Labor-Memo vom 15.10.2014 (PDF) [link]
+) VAN-Site, die erste Startseite von 1998 [link]
+) Netzkultur 2001 bis 2009 [link]
+) Talking Communities [link]