Das war für mich eben eine mehr als kuriose Debatten über Fragen zu Kunst und Kultur. Kurios deshalb, weil ich endlich erlebe, daß es möglich ist, eine rigorose Erörterung unseres Metiers vorzunehmen, ohne daß recht bald mit üblichen Frontstellungen und Feindbildern gearbeitet wird.
Unser Gast Selman Trtovac sagte über Serbien, das Land sei in Kulturfragen eine Wüste, es gebe keine Konzepte einer Kunstförderung, es gebe auch keinen Kunstmarkt.
Hinzu kommt, daß die Postkriegsgesellschaft Serbiens ihre Prioritäten weder derzeit noch in absehbarer Zeit darauf beziehen dürfte, daß Kunst- und Kulturschaffende ein gesellschaftliches Feld repräsentieren, auf das nicht verzichtet werden kann.
Von solchen Erfahrungen ausgehend hat der aktive Künstler Trtovac seine Thesen entwickelt und überdies eine Dissertation über Strategien der Kunst geschrieben, über innere und äußere Strategien.
Die Besetzung der Gesprächsrunde war bemerkenswert, weil sie neben uns Kunstschaffenden auch Positionen in Politik und Verwaltung hatte, was also eine anregend kritische Diskussion möglich machte, bei der die unterschiedlichen Agenda und Prioritäten zur Sprache kamen, um dann auch zu erörtern, wie diese Positionen praktisch in Kooperation kommen können.
Wir haben verschiedene Themenkomplexe durchgenommen, die überdies in die Folgekonferenz mit Günther Friesinger führen sollen. Da ist vor allem einmal die Frage, wie wir Kunstschaffende unser Verhältnis zur Kunst und zum Markt regeln möchten und worin geklärt werden kann, was denn nun die Agenda der Kunst von sozialen Fragen trennt.
Etwa im Sinne von: Welche Tätigkeit kann mir ein adäquates Jahreseinkommen sichern? Und was ist adäquat? Wer soll das überdies sichern, falls es mir auf dem Markt nicht gelingt?
In der Szene kursiert momentan ein Artikel, der im Vorspann besagt: „Knapp 60 Prozent der Einkommen von freien Kulturschaffenden liegen unter 5.000 Euro im Jahr…“
Das ist mehr als dubios. Ich erfahre nicht, ob der Betrag brutto oder netto ist, ich staune, daß jemand ernsthaft behauptet, 5.000 Euro sei ein Jahreseinkommen. Das ist selbst netto Mumpitz. Die Quelle: [link]
Trtovac sagt aus seiner Erfahrung der Existenz als Künstler in Serbien: „Man muß nebenbei noch etwas arbeiten.“ Es gibt kein angemessenes Jahreseinkommen aus bloß künstlerischer Tätigkeit, das erlaubt weder der Markt her, noch ermöglicht es der Staat.
Bloß, genau DAS ist auch in Österreich der Fall. Es sind nur die Rahmenbedingungen dafür insgesamt ungleich besser als jene in Serbien, Bosnien oder im Kosovo.
Genau da liegt auch das große Versagen meines Metiers, daß wir uns als Berufsfeld dieser einen Klarheit nicht offen stellen: Eine Existenz bei angemessenem Jahreseinkommen aus bloß künstlerischer Arbeit ist nicht möglich.
Das gibt der Markt nicht her, das bietet der Staat nicht, also haben wir festzustellen: Das zu ermöglichen fehlt jeglicher gesellschaftlicher Konsens. (Daß wir ein paar wenige Ausnahmen nennen mögen, ändert am Gewicht dieser Assage nichts.)
Nun können wir Strategien debattieren, innere und äußere Strategien, wie sie Trtovac zur Diskussion stellte. Damit ist viel zu machen, weil dieses Land Österreich in all diesen Angelegenheiten Kompensationsmöglichkeiten hat, von denen der Serbe nicht einmal zu träumen wagt.
Oder wir können weiter jenes kulturpolitische Karaoke pflegen, lautes Wehgeschrei, das nichts bewirkt. Die Headline des oben zitierten Zeitungsartikels, „Armutsfalle Kulturarbeit“, ist vor allem einmal Ausdruck einer intellektuellen Bankrotterklärung weiter Teile meiner Szene, meines Metiers.
Ist im Vorspann noch explizit von „freien Kulturschaffenden“ die Rede, heißt es später im Text etwa: „Nur vier Prozent aller freien Kulturschaffenden sind hier in Vollzeitdienstverhältnissen tätig,…“ Ja, was nun? Frei oder Vollzeitdienstverhältnis? Und was, bitte, soll denn das sein, ein freier Kulturschaffender im Vollzeitdienstverhältnis?
Da finde ich auch den bemerkenswerten Satz: „Dass diese Ehrenamtlichkeit in den meisten Fällen keine freiwillige ist, darauf machte die IG Kultur in den vergangenen Jahren bereits mehrfach aufmerksam.“
Hallo? Ehrenamt ist ja per Definition NICHT Hauptamt, also Profession. Im günstigsten Fall werden beide Bereiche komplementär wirken. Wollen wir nun über soziales Engagement (Ehrenamt) oder unsere Profession (Hauptamt) reden? Könnten wir darauf verzichten, diese unterschiedlichen Kategorien völlig beliebig zu vermischen?
Was also sind Kategorien der Kunst und was soziale Fragen, wenn wir unsere Lage reflektieren? Wie wollen wir unsere möglichen Heterotopien gegenüber Markt und Politik angeordnet sehen? Wo sind wir selbst – als Kunstschaffende – für eine Korruption unserer Haltungen anfällig und was läßt sich allenfalls dagegen unternehmen?
Da haben wir noch einige Arbeit vor uns…