Auf Facebook lautete die Einladung zu einer kulturpolitischen Debatte: „Empört Euch! In einer Stunde wird die Diskussion ‚Die Zukunft der Kultur im ländlichen Raum‘ entfacht. Aber nicht ohne euch – kommt und teilt eure Erfahrungen und Gedanken! 16 Uhr, Theodor Körner Platz.“
Es lohnt einiges Nachdenken, worüber sich jemand bei diesem Thema empören müsse. Ich wäre ja geneigt, mich darüber zu empören, das ein beunruhigend großer Anteil meiner Kolleginnen und Kollegen völlig Old School agiert und mit den eigenen Konzepten und Strategien merklich noch nicht im derzeitigen Jahrhundert angekommen ist.
Aber dieses Thema ist in der Branche ein klein wenig tabu. Es wäre folglich zu fragen, woher denn Politik und Verwaltung das Zeug nehmen sollten, „moderner“ zu agieren, da doch ein großer Bereich der primären Kräfte unseres Metiers kulturpolitisch eher antiquiert denkt.
Wer sich unter uns zu den Kunstschaffenden zählt, wird eventuell Vorstellungen haben, was an öffentlichen Geldern in die Kunstproduktion investiert werden solle, was davon in Kunstvermittlung, was übrigen kulturpolitischen Aufgaben gewidmet sein solle.
In der Rostfest-Debatte zur Kulturpolitik brachte ein junger Mann eine bemerkenswerte Frage vor. Er würde gerne etwas mit Kunsthandwerk machen, ob es dafür eine Förderung gäbe, denn jetzt müsse er eine Arbeit tun, acht Stunden am Tag, die ihm nicht so zusage.
Das wäre eigentlich eher ein Beitrag zur Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Künstlerin Eva Ursprung bemerkte treffend, man müsse sich den Weg in die Kunst eben leisten können, müsse selbst etwas investieren.
Einmal mehr ein Hinweis, daß wir Klarheit brauchen, welche Bedingungen für welche Genres wir debattieren. Kunsthandwerk, Gegenwartskunst, Voluntary Arts… Wo sich Intentionen, Zielsetzungen und Verfahrensweisen gründlich unterscheiden, brauche ich auch einen differenzierten Diskurs.
Ich könnte mich keiner Diskussion anschließen, welche für den Kunstbereich etwas wie „geschützte Arbeitsplätze“ vorsehen würde. Ich wäre auch nicht für eine Position zu gewinnen, in welcher der Staat seine Kunstschaffenden vollkommen von den Marktanforderungeen freistellt. Derlei Art des „Staatskünstlertums“ mag ich Nordkorea überlassen.
Ich will übrigens auch nicht „gefördert“ werden. Zwar muß ich diese Sprachregelung vorerst noch hinnehmen, denn sie steht im Gesetz, aber ich habe von Kofinanzierung zu reden. Ich bin kein „Subventionsempfänger“, sondern ein Kooperationspartner.
Ich bin für eine Kooperation der drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft; also Politik und Verwaltung, Wirtschatstreibende und primäre Kräfte des Kulturgeschehens.
Meine Gründe dafür sind simpel. Die Sache handelt immer von einem Leistungsaustausch. „Der Staat fördert…“ klingt nach einem Einbahnsystem. Mumpitz! Die Organe des Staates tun doch nichts ohne begründete Interessen. Ich erhalte kein Geschenk, keine bedingungslose Zuwendung, das wäre die Sache von Mäzenen. Ich realisiere einen Deal zu wechselseitigem Nutzen. Diesen Nutzen muß ich freilich darstellen und verhandeln.
Ich habe in einem Ansuchen (Ideenpapier) mein Vorhaben präzise zu begründen. Ich muß meinem Ideenpapier einen nachvollziehbaren Finanzplan beilegen. Sollte sich mein jeweiliger Geschäftspartner (Kommune, Land, Bund etc.) auf das Vorhaben einlassen, bin ich zu einem entsprechenden Bericht und einer makellosen Abrechnung verpflichtet.
Dabei sollten nun die geldgebenden Stellen mir gegenüber keinerlei Verpflichtungen haben? Unfug! Wir haben jeweils einen Deal, der sich in materiellen und immateriellen Anteilen einlöst. Selbstverständlich sehe ich meine Geschäftspartnerinnen und -partner auch mir gegenüber verpflichtet.
Die Basis jener wechselseitigen Verpflichtung ist in „§ 1, Ziele und Aufgaben der Kultur- und Kunstförderung“, festgelegt; ein Text, den man kennen sollte, wenn derlei Debatten angehen: „Steiermärkisches Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005“ [link]
Der Staat hat Interessen und hat Mittel zu vergeben, diese Interessen zu verfolgen. Über beides haben wir uns jeweils zu verständigen: Die Interessen und die Vergabe der Mittel.
Als praktizierender Künstler will ich die Genres und Verhandlungsgegenstände klar erkennen, auch darstellen können. Ich muß nämlich auf der Autonomie der Kunst bestehen. Als Künstler habe ich bezüglich der Kunst weder mit Politik noch Verwaltung etwas zu verhandeln.
In den Frage der Kunstproduktion bleiben wir alle auf den Markt angewiesen und haben gelegentlich die Annehmlichkeit, daß der Staat Ankäufe tätigt oder Aufträge vergibt. Sponsoring (Leistungsaustausch) und Mäzenatentum (bedingungslose Gabe) können dieses Feld bereichern.
Dem steht gegenüber: Meine Jahrzehnte der intensiven Befassung mit Kunst haben Kompetenzen ergeben, die ich in das Gemeinwesen einbringen kann, ehrenamtlich, die ich da aber auch vermarkten kann, indem ich Leistungen gegen Bezahlung anbiete.
In der regionalen Kulturarbeit wird Kunstproduktion nur selten zur Debatte stehen. Da dominieren Fragen der Kunstvermittlung, der Kulturarbeit, der Wissensarbeit. In diesen Bereichen ist ein völlig anders gelagerter Bedarf gegeben. Und hier werde ich eher erfolgreich ansetzen können, wenn in der Provinz, abseits des Landeszentrums, der Kulturbereich vorankommen soll, als wenn ich bei der Kunstproduktion ansetze.
Reden wir also über den Möglichkeitsraum, der in Kontinuität erhalten werden mag, um in einer Region ein anregendes geistiges Klima zu sichern. Das ist eine gesellschafts- und kulturpolitische Fragestellung. Wir können dann ja gerne auch darüber reden, welchen fundamentalen Anteil die Kunstpraxis an so einem Möglichkeitsraum hat; im Sinn des Wortes, als ein Fundament. Da wird dann bloß der Kreis derer, die mitreden, kleiner sen.
+) Siehe zur Rostfest-Debatte auch: Krusches Log #2025
Diese Debatte war ein Vorbote der Konferenzserie im kommenden Kunstsymposion in Gleisdorf, in der es auch eine eigene Rostfest-Session geben wird: [link]