Eine Gute Gesellschaft

Wenn Sie diese Zeilen jetzt Anfang 2014 lesen, wird sich kaum jemand mehr daran erinnern – aber im Oktober 2009 wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Wirtschaftsnobelpreises eine Frau ausgezeichnet – ELINOR OSTROM aus Amerika. Ihr Thema: Interaktions- und Lösungsprozesse bei Nutzung und Verteilung von Gemeinschaftsgütern, wie z.B. Reine Luft, Trinkwasser, Wissen und Bildung, aber auch KULTUR.

Dieser Text von Gerald Gigler stammt aus dem Buch "Ten Days. Artists in Residence" (Initiative für neue Zeitkultur)

Ausgang nahm ihre Arbeit im Los Angeles der 40er Jahre, als durch riesige spekulative Energieprojekte und unmäßigen Wasserverbrauch für Plantagen, die gesamte Stadt Los Angeles fast ohne Wasser war, da der Grundwasserspiegel dramatisch absank. Die Lösung konnte letztlich nicht durch Markt oder Staat gefunden werden, sondern NUR durch Kommunikation, Kooperation und Konfliktlösung auf einer lokalen Akteureebene.

Was uns heute dabei auch im Kontext eines so wunderbaren LEADER Projektes, wie TEN DAYS interessieren kann, ist durchaus denkwürdig:

Aus den Arbeiten der fast 60-jährigen Forschungstätigkeit von Frau OSTROM, die 2009 zum Nobelpreis geführt haben, lassen sich nämlich verblüffende Parallelen für jene Mechanismen und Parameter herauslesen, die uns –auf ein Projekt wie TEN DAYS übertragen, anschaulich zeigen (könnten), worin die Prozessfaktoren für erfolgreiche u.a. kulturpolitische Intervention liegen. Stark vereinfacht ausgedrückt sagt sie:

+) Primäre Erfolgsvoraussetzung sind Gruppen von moderater Größe und zwar unabhängig von einer Regionsgröße. >>Bei TEN DAYS war dies das Zusammenspiel der örtlichen LAG, die sich intensiv mit dem Thema ZEITKULTUR auseinandersetzt, der Kulturplattform kunst:OST und der Aktivgruppe rund um Georg Gratzer;

+) Motivation und Lösungsbereitschaft wird immer durch den Grad der Betroffenheit in dieser Gruppe determiniert. >>LEADER Kontext: Hohe Identifikation durch/an regionale(n) Themen!
+) Erst dadurch wird der notwendige Kommunikations- und Kooperationsprozess ausgelöst >>systemisch innerhalb dieser Gruppe wie außerhalb!
+) Erst dieser Prozess bedingt das spontane Auftauchen von lokalen Lösungen, die für ein übergeordnetes „Problem“ eine modellhafte Sprache gefunden haben >>LEADER Kontext – Visionserweiterung – Übertragbarkeit!
+) Weitgehende Losgelöstheit dieser Prozesse von Staat und Markt >>LEADER = endogene Regionalentwicklung!

All dies führt zur Erkenntnis, dass der „Sinn“ eines sozialen Systems (und ich begreife eine REGION, eine LAG, und darin agierende lokale Akteure wie TEN DAYS als ein solches) NUR durch Bezug auf ein übergeordnetes System erklärt werden kann – TEN DAYS hat gezeigt, hat erfolgreich gezeigt, dass die Verantwortung für lokales Handeln NUR in übergeordneten Zielsetzungen begründet werden kann.

Gerald Gigler im Gespräch mit Sandra Kocuvan

TEN DAYS war in beiden Jahren seines Bestehens vielschichtig…. (auch) laut, schrill, bunt… ….dann wieder poetisch (Wer erinnert sich nicht an den Kite Wizard?), jedenfalls immer zeitgemäß – niemals mit erhobenem Zeigefinger, aber eben immer subtil spielend mit Themen wie Entfremdung (zu HEIMAT, dem ANDERSSEIN, der Stigmatisierung einer von DORT zu sein….), der LEERE die sich im ländlichen Raum breitmacht (nicht nur in den verlassenen Wohnräumen), auch in den Köpfen und der man nur begegnen kann, indem sich diese „Bilder im Kopf“ umdeuten (lassen) und zwar in einem exemplarischen Prozess der KREATIVEN Partizipation, der niemanden ausschließt und jeden einzelnen (und es waren viele); die sich darauf eingelassen haben; bereichert entlässt.

Und damit übernimmt LEADER und im exemplarischen Einzelfall TEN DAYS — aus meinem Verständnis heraus — eine immanent gesellschaftspolitische Aufgabe. „Denn LEADER will vor allem, dass Sie >innerhalb der Gemeinde<, >innerhalb der Region/LAG< und >über die LAG Grenzen hinweg< kommunizieren und was/wer immer Kommunikation betreibt, ist beziehungsweise begründet Gesellschaft, im LEADER Kontext hoffentlich „Eine Gute Gesellschaft“!

Lassen Sie uns diesen TEN DAYS weitere folgen!

Gerald Gigler
(Koordination LEADER, Land Steiermark)

Anmerkung:
Dieser Text von Gerald Gigler stammt aus dem Buch „Ten Days. Artists in Residence“ (Initiative für neue Zeitkultur). Er ist die mutmaßlich letzte offizielle Verlautbarung von Landesseite zur abgelaufenen LEADER-Periode und dem darin verankerten Vorhaben LEADER Kultur. Eben noch war Gerald Gigler ein maßgeblicher Bezugspunkt unserer kommenden Kulturkonferenz, plötzlich ist er weg, ohne daß ich als LEADER-Projektpartner des Landes darüber informiert worden wäre. Siehe dazu auch: „Kommunikationsverweigerung zerstört“ [link]

Martin Krusche
(Projektleiter Kunst Ost)

— [Generaldokumentation] [Kulturpakt III: Enquete] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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