Wir stehen an einer sehr interessanten Schwelle. Was die gewachsenen und gefestigten Kulturinitiativen der Region angeht, hat sich wenig bis nichts bewegt. Das sind durch die Bank gewissermaßen „Pionier-Unternehmen“, deren primäre Akteurinnen und Akteure an dem festgehalten haben, was sie aufgebaut und wie sie es aufgebaut haben.
Es wäre die Erfahrung wert gewesen, neue Formationen und Netzwerk-Varianten zu erproben. Dazu ist es, so weit ich sehen kann, essentiell nicht gekommen. Regionale Kulturinitiativen sind meist wie eine Burg aufgestellt. Ohne Wall und Zaun geht da nichts.
Was doch relativ neu ist: Die Gegenwartskunst hat als Genre eindeutig Boden gewonnen. Damit meine ich: Rauf bis zu den Fischbacher Alpen, runter bis zum Stradener Kogel und nach Feldbach, rüber bist Hartberg und Fürstenfeld wurde in den letzten Jahren definitiv mehr an kontemporärer Kunst gezeigt als eine Dekade davor.
Das steht im Kontrast zu den Aktivitäten der „Voluntaries“. Im Diskurs darüber sind wir leider nicht vorangekommen. Faktum ist, daß an die 85 bis 90 Prozent der Kreativen in unserer Region, die Auftritts- und Ausstellungsmöglichkeiten erwarten/fordern, das Feld der Gegenwartskunst eher meiden.
Damit soll unmißverständlich gesagt sein, daß dieses kreative Feld der „Voluntary Arts“ ein anderes Genre ist als das der Gegenwartskunst. Man kann und darf sie nicht hierarchisch anordnen oder gegeneinander in Stellung bringen. Aber es sind verschiedene Tätigkeitsbereiche und verschiedene ästhetische Welten.
Die Voluntary Arts sind ganz wesentlich sozial begründet, stützen sich zwar auf die Nutzung künstlerischer Techniken, widmet sich aber gewöhnlich nicht den Frage- und Aufgabenstellungen der Gegenwartskunst.
Damit meine ich, daß bei den Voluntaries die sozialen Aspekte im Vordergrund stehen, höhere Priorität haben, als die künstlerischen. Das spricht keinesfalls in irgendeiner Weise GEGEN die Voluntary Arts, aber es hat KULTURPOLITISCH grundlegend andere Konsequenzen.
Da sich der Kulturpakt Gleisdorf nun als ein Arbeitsergebnis der letzten Jahre von Kunst Ost-Aktivitäten konsolidiert hat, müssen wir gemeinsam herausfinden, zu welchem Status quo wir uns derzeit eingefunden haben und was das für die Nutzung verfügbarer Ressourcen bedeutet.
Budgets, Arbeitskraft, Veranstaltungsorte… Vieles davon ist gekürzt, verknappt worden; manches davon in drastischem Ausmaß.
Werden wir in der Lage sein, diese Einbußen an Spielraum zu kompensieren? Werden wir neue Strategien und Arbeits-Modi finden, anstatt darauf zu warten, daß eine übernächste Generation alles anders macht? Und was werden die vorrangigen Themenstellungen sein, aus denen wir Aufgabenstellungen ableiten?
Soweit es das Kulturlabor Kunst Ost betrifft, ist auf eine nächste Erfahrungsstufe in der Kooperation der drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft zu zielen. Hier müssen die Schlüsse, die sich aus bisherigen Abläufen ziehen ließen, in der Praxis auf ihre Tauglichkeit überprüft werden.
Öffentliche Gelder werden gerade in der Provinz noch weniger verfügbar sein, die Kommunen sind an ihren Limits oder überhaupt ohne Kulturbudget, das Land hat keine Reserven mehr. Das heißt im ungeschminkten Klartext: Es werden die Verteilungskämpfe zunehmen.
Das brigt die Gefahr, jene oben behauptete „Burgen-Situartion“ von Kulturinitiativen mit ihrer Tendenz zu hermetisch abgeriegelten Feldern noch zu verhärten.
Wie unser Milieu den Kunstdiskurs eher meidet und etwa zwischen Gegenwartskunst und Voluntary Arts nicht unterscheiden möchte, so ist auch das Thema Sponsorig/Mäzenatentum mit Legenden befrachtet und so bis zur Unkenntlichkeit verkleidet.
Faktum ist, daß in unserem Milieu überwiegend völlig unrealistische Vorstellungen dominieren, was denn nun
a) „Die Wirtschaft“ sei und
b) wie sie sich zur Kunst und zu Kunstprojekten verhalten möge.
Dort aber, wo es zu Kooperationen zwischen Kulturinitiativen und Wirtschaftstreibenden gekommen ist, finde ich leider mehr Schönfärberei als stichhaltigen Klartext.
Wir haben also eine menge Klärungsbedarf auf dem Tisch.
Ich habe diesen Beitrag mit „Eine Stimme“ betitelt, was „Meine Stimme“ meint. Manche werden sich meiner Einschätzung nicht anschließen wollen. Manche werden ganz andere Bilder zu zeichnen haben.
Ich bin mehr als neugierig, welches Panorama wir zu sehen bekommen werden, wenn Iris Absenger-Helmli (LEADER-Management „Energieregion“) am 21. Oktober 2014 gegen 17:00 Uhr die Türen zur „Regionalen Kulturkonferenz“ öffnen wird.
Martin Krusche, Autor
(Projektleiter Kunst Ost)