Unsere Arbeit im Rahmen des Kulturpakt Gleisdorf hat jüngst zweierlei belegt und außer Zweifel gestellt: In der Region dominieren die Voluntary Arts, deren Akteurinnen und Akteure allerdings mehrheitlich eher abgeneigt sind, eine Trennschärfe der Genres zu beachten; nämlich der Trennschärfe zwischen Voluntary Arts und Gegenwartskunst.
In einer kritischen Betrachtung müßte debattiert werden, warum von einem Feld her (Voluntary Arts) die Codes eines anderen Feldes (Gegenwartskunst) reklamiert und benutzt werden. ohne dabei in die Tiefe gehen zu wollen.
Erklärungen finden wir in sozialen Fragestellungen. Es sind die Reputation und die Ressourcen des Kunstfeldes, nach denen Voluntaries greifen. Es kommt dabei aber auch zeitgemäße Marktlogik ins Spiel.
Würde jemand im Selbstverständnis als „Hobbykünstler“ vor einen Gemeinderat oder einen Kulturausschuß des Lande treten, in eine Pressekonferenz gehen, wären da weder an Geldern, noch an Imagegewinn viel zu holen. Die Selbstdarstellung legt also eine kurzfristige Aufwertung nahe, ein Aufladen der eigenen Position mit „Werten“, die aus einem anderen Genre stammen.
Ich kann diese Situation aber nicht jklären, indem ich eine Hierarchie aufbaue, ind er gegenwartskunst über die Voluntary Arts gestellt würde. Das wäre kulturpolitisch kontraproduktiv. Ein kleines Beispiel für die beliebte Konfusion.
Sie können ohne weiteres erleben, was mich im letzten Sommer staunen ließ, daß mir ein Voluntarist in einem Gespräch darlegte: „Gegenwartskunst ist die Kunst, die wir jetzt machen“, obwohl sein kreatives Gestalten weder mit geläufigen Intentionen noch bekannten Ausdrucksformen der Gegenwartskunst etwas zu tun hat, wobei er außerdem die Überzeugung äußerte, wer für eine Arbeit von Nitsch auch nur einen Euro ausgebe, müsse einen Kopfschuß haben.
Das heißt unterm Strich, man verachtet jenes Kunstfeld, dessen Code-Systeme man beliebig plündert.
Eine naheliegende Gegenposition zu seinem erbaulichen Zeitvertreib, der ja nur ihm nützt, aber darüber hinaus keine Ambition zu anderer Wirkung zeigt, wird lauten: Geht es um Kunst, geht es immer auch um geistige Prozesse und um erfahrbare Entwicklungen.
Zugegeben, das ist eine anfechtbare Behauptung, die manche für dünkelhaft halten können. Ich muß es insofern abschwächen, als eben von Feldern zu reden wäre, die auch innerhalb eines beschreibbaren Genres sehr unterschiedlich aussehen.
Da ist nun meine Position auf einem Feld markiert, in dem wachsende Erfahrungen, Wissensgewinn und vitale Auseinandersetzungen mit dem, was wir angeblich als gegeben vorfinden, unverzichtbar sind. Eine Conditio sine qua non. Ohne diese Optionen geht es überhaupt nicht.
Es ist aber auch bloß eines unter mehreren Feldern der Gegenwartskunst.
Ich akzeptiere nicht, daß sich jemand hier auf ein Trittbrett schwingt und einfach mitfährt, ohne sich in der Sache selbst einzulassen. Das wäre ein Ballast, der die Kräftespiele auf diesem Feld beeinflußt, ohne in irgendeiner Weise klärend zu wirken.
Wovon schreibe ich da eigentlich?
Ich sehe mich selber als Künstler in einer Tradition geistiger und ästhetischer Prozesse, deren unmittelbare Vorgeschichte das 20. Jahrhundert durchzieht. Ich setze hier Links auf zwei aufschlußreiche Dokumente, deren Rezeption ich nachdrücklich empfehlen möchte, wenn jemand sich fragt, womit wir es beim Stichwort Gegenwartskunst derzeit eigentlich zu tun haben.
Das eine ist die Aufzeichnung einer Kunstdebatte aus dem Jahr 1983, wo sich Beuys, Ligeti und Weibel der Diskussion stellen. das andere ist ein Text von Weibel, aus dem man wesentliche Denkanstöße erhält, welcher Wandel und welche Kräftespiele uns zu dem gebracht haben, was als Gegenwartskunst verstanden werden kann.
Darf ich erwarten, daß jemand zwei Abende des Lesens, Hörens und Nachdenkens aufwenden wird, um sich eine grundlegende Orientierung zum Thema zu verschaffen?
+) Club 2 mit Beuys, Ligeti und Weibel [link]
+) Peter Weibel: Globalisierung: Das Ende der Modernen Kunst? [link]
— [Generaldokumentation] —