Die internen Arbeitspapiere des „Aktionsplan 2.0“ sind nicht gerade als Staatsgeheimnis zu qualifizieren, aber dennoch eben Interna. Deshalb kann ich sie hier nicht eigenmächtig aus der Hand geben. Aber ich denke, ich darf doch ein paar Passagen herausheben, die sehr wesentlich von dem handeln, was ich hier für uns eingebracht hab.
Das aktuelle Papier (Stand Oktober 2013) gilt als „Der inhaltliche Rahmen für die nächste Programmperiode der Energieregion“. „Kunst OST / Kulturpakt“ sind inzwischen fixer Bestandteil, was definitiv neu ist.
Entsprechend ist auch ein „Fokus auf Gemeinwesen-orientierte Kulturarbeit für und mit den Themen der Region“ ausdrücklich erwähnt. Es ist übrigens vor allem der Aspekt der Gemeinwesenorientierung, über den wir mit wachsender kulturpolitischer Zustimmung und Akzeptanz in der Region rechnen dürfen.
Andrerseits ist uns die Wahrung künstlerische Freiheit empfohlen, wenn etwa Bürgermeister Christoph Stark uns sagt, wir mögen die Menschen in Erstaunen versetzen. Damit meint er genau nicht Event-Sensationen, sodnern eben künstlerische Konsequenz.
Ich hab in den letzten Jahren unseres Tuns die Bereiche Sozialgeschichte und Mobilitätsgeschichte betont. Über das Thema Sozialgeschichte könnten wir als Kulturschaffende zu Fragen der regionalen Identität etwas beitragen, über das Thema Mobilitätsgeschichte sind wir in der Lage, unsere bevorzugten Mittel auch auf eines der Hauptthemen der Region anzuwenden, nämlich Mobilität.
Das hat inzwischen eindeutig gefruchtet. Ich habe gerade erst ausführlicher dargelegt, in welcher mentalitätsgeschichtlichen Tradition wir stehen und letztlich auch agieren.
Hier eine Kurzfassung: Auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg waren die Arbeiterbewegungen ein extremes Feindbild für etablierte Eliten, was unter anderem zu einer ideologisch begründeten Frontstellung zwischen industrieller und agrarischer Welt führte.
Die politischen Konsequenzen drückten sich schließlich – um ein Beispiel zu nennen – in der bitteren Konfrontation zwischen christlichsozialer Heimwehr und sozialdemokratischem Schutzbund aus, im brutal gelebten März 1933.
Eine speziell steirische Markierung dieser historischen Prozesse war wohl die Hinrichtung von Koloman Wallisch im Februar 1934.
Der politisch-propagandistische Antagonismus, in dem eine angebliche Kluft zwischen den Menschen der Industrie und des Agrarischen inszeniert wurde, bekam in der Nazi-Ära pompöse Bilder und blieb uns selbst in der Zweiten Republik erhalten.
Das finden wir bis in die Gegenwart in gewachsenen Kontrasten zwischen ÖVP und SPÖ sowie in den Lagerbildungen, Lagerbindungen und Lagerabgrenzungen bei ihren mächtigen Vorfeldorganisationen, Bünden etc.
Die Lebensrealität handelt freilich seit durchgesetzter Industrialisierung davon, daß einst die mehrheitlich recht arme agrarische Welt fast grenzenlos billige Arbeitskräfte für die Fabriken bereitstellte, während heute ein Teil hoch qualifizierter Facharbeiter (bei uns) aus der agrarischen Welt kommt.
Die Energieregion Weiz-Gleisdorf, wie sie nun mit der Region Almenland fusionieren wird, ist einerseits historisches Feld eben dieser Geschichte, ist zugleich die praktische Negation der ideologischen Altlasten, denn hier sind agrarische Welt und Industrie keine verfeindeten Felder, sondern haben in starker Wechselwirkung den Wohlstand und die Vollbeschäftigung der Region ermöglicht, also auch das urbane Leben einzelner Orte zur Entfaltung gebracht.
So steht nun im „Aktionsplan 2.0“ ausdrücklich:
„Der Gegensatz zwischen Arbeiter und Bauer wurde historisch überwunden und dadurch die Kräfte auf das Gemeinsame hin ausgerichtet“, wobei die oben skizzierte Themenstellung dort noch ausführlicher behandelt wird.
Die Arbeitsgruppe befaßt sich also auch mit der „DNA der EnergieRegion Weiz-Gleisdorf“, also mit den sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Grundlagen. In eben diesem Zusammenhang heißt es da:
„In der Mobilitätsfrage geht es zu allererst um eine Kulturfrage. Nur wenn diese Ebene ausgeleuchtet wird, kann es zu echten Veränderungen in der Region in diesem Thema auf der Umsetzungsebene kommen.“
Zum Gesamtvorhaben in den aktuellen Veränderungsschüben gehört heute auch das Vorhaben: „Positionierung als Kulturregion“.
Ich darf also festhalten, daß für uns Kunst- und Kulturschaffende definitiv die Karten neu gemischt sind. Dabei wird sich nicht bewähren, was man zur Zeit auch erleben kann, daß etwa ein Kunstbeflissener anderen Leuten zuruft, was sie tun mögen, damit die „Kulturregion“ Realität werde.
Das ist eine bequeme Pose, vor allem aber Mumpitz. Wir sollten für uns und aus uns heraus klären, was da jetzt werden mag.
Siehe dazu auch:
+) „Kontraste im ländlichen Raum“ [link]
+) „Regionale Weichenstellungen“ [link]
— [Generaldokumentation] —
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