Als das Gleisdorfer Jugendhaus noch „Turbine“ hieß und der Begriff „Neue Medien“ noch deutlich signalisierte, daß den meisten Menschen die aktuelle informationelle Umwelt nicht ganz geheuer ist, hatten wir eine Zusammenarbeit bei einem Medienprojekt realisiert.
Heimo Müller saß in seinem Büro vor einem überdimensionalen Foto, auf dem recht unscheinbar ein Mann zu entdecken war, den wir beide schätzen: Meister Akira Kurosawa.
Das liegt rund ein Jahrzehnt zurück. Inzwischen hatten wir andere Sachen zu tun. Nun führte uns eine Themenstellung wieder zusammen, genauer, ein Bündel von Themenstellungen. Davon werden wir einiges hier in der Region umsetzen.
Ich hatte Handwerker Sepp Schnalzer auf dem Beifahrersitz, als ich den vereinbarten Treffpunkt ansteuerte. Sepp weiß, wie schnell Wissen verloren geht, wenn Menschen es eine Weile nicht brauchen. Die ältesten seiner Fahrzeuge sind mehr als hundert Jahre alt.
Wenn Sepp andere Fahrzeuge aus dem späten 19. und den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Augenschein nimmt, dann immer auch mit der Suche nach Details, getrieben von der Frage: Wie haben sie es gemacht?
Man könnte es einen „Stradivari-Effekt“ nennen. Ich hab das Objekt vor mir, aber niemand weiß mehr, was jenes essentielle Detail ist, das die merkliche Besonderheit des Stückes ausmacht.
Oder einen Hauch einfacher in der Fragestellung, wie das folgende Beispiel: Lisl Mesicek, die gerade, als ich sie das erste Mal sah, aus einem wunderschönen Steyr 120 Cabrio aus dem Jahr 1936 [link] stieg, sucht.
Sie sucht nach Fakten zu einem Automobil, das in Graz als Taxi fuhr, das zwischen 1920 und 1924 in der dortigen Schönaugasse gebaut wurde. Der „Ditmar & Urban“. Doch niemand unter den bisher Befragten weiß etwas, bis heute konnten keinerlei Dokumente zum Thema ausfindig gemacht werden. Wissen verschwindet sehr schnell.
Aber zurück zu meinem Wiedersehen mit Heimo. Er hat einen 1969er Steyr 680 M zu einem mobilen Medienlabor umgerüstet. Es beschäftigt ihn, ebenso wie mich, dieses Thema verebbender Kenntnisse. Sozial- und Mobilitätsgeschichte, aber auch ein Blick auf den Balkan liegen ihm.
Man ahnt, wie viele Schnittpunkte wir auf Anhieb finden, um uns für das kommende Jahr einiges vorzunehmen.
Wir sind auch gleichermaßen daran interessiert, wie sich die Welt der Handarbeit und der Kopfarbeit zu einander verhalten, was nun keinesfalls bedeutet, daß etwa ich der Kopfarbeiten im Gegensatz zu Sepp, dem Handarbeiter, sei.
Während ich hauptsächlich das eine leiste, Kopfarbeit, leistet Sepp hauptsächlich beides, weil ja seine exzellente Handarbeit nur im Verbund mit hochkarätiger Kopfarbeit überhaupt stattfinden kann.
Damit möchte ich auf ein soziales Mißverständnis hindeuten, das dumme kulturelle Konsequenzen hat. Das alte Klischee von der „Drecksarbeit“, die in einer hierarchischen Anordnung der „hochwertigen“ Kopfarbeit nachgereiht wird, mag ja auf manche Gegenüberstellungen zutreffen. Aber als generelle Auffassung von unseren Verhältnissen ist diese Stereotypen-Wirtschaft reiner Mumpitz und verstellt überdies den Blick auf interessante Verhältnisse.
Wird erahnbar, worauf nun unsere Optionen zielen?
Ein mobiles Forschungs- und Medienlabor als Vehikel im vielfachen Sinn des Wortes, um weiter in Theorie und Praxis der Frage nachzugehen, über welche Auffassung von Gegenwart wir nun in eine Zukunft gelangen, die nicht über Bilder einer Vergangenheit gefunden werden kann, welche zuerst in einer ständischen Gesellschaft, schließlich in einer Klassengesellschaft entstanden, also antiquierte Deutungen frühere Herrschafts- und Bevölkerungsverhältnisse sind.
Das ist auch eines der Basisthemen, mit denen nun das Projekt „the track: axiom“ in’s dritte Jahr geht.
+) Da der Steyr 680 noch eines der letzten Großprojekte der historischen Steyr-Daimler-Puch AG repräsentiert, steht er momentan als Schaustück im Johann Puch-Museum Graz: [link]
+) Das derzeitige Hauptprojekt macht den alten LKW zum „Blogmobil“: [link]
— [Generaldokumentation] —