Als wir 2009 mit dem Projekt begannen, habe ich „kunst ost“ als eine soziokulturelle Drehscheibe angelegt. Das war auf verschiedene Aufgabenstellungen und Arbeitsbereiche ausgerichtet. Dabei haben sich sehr unterschiedliche Aktivitätskreise herauskristallisiert.
Zum Ende der aktuellen LEADER-Periode haben wir einen grundlegend anderen Stand der Dinge, dessen vorrangiges Ergebnis der „Kulturpakt Gleisdorf“ ist. Eine Arbeitsanordnung, in der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eine längerfristige Kooperation pflegen, deren Modus gemeinsam definiert und etabliert wird.
Das bedeutet auch, „kunst ost“ nimmt sich nun aus einigen bisherigen Tätigkeitsbereichen zurück. Dafür gibt es vor allem zwei wesentliche Gründe. Wir müssen für andere Akteurinnen und Akteure erkennbar Platz schaffen. Wir müssen uns neuen Aufgaben zuwenden.
Ein Teil dieser neuen Aufgaben ist die Weiterentwicklung des Elements autonomer Orts-Formationen („location crews“). Dabei geht es um die Kooperation von eigenständigen Kleingruppen, etwa beim alljährlichen „April-Festival“, die über einzelne Schlüsselpersonen ihre Zusammenarbeit mit „kunst ost“ umsetzen, in sich aber völlig unabhängig und nach eigenen Regeln agieren.
Eine anderer Teil dieser neuen Aufgaben ist in der Tatsache angelegt, daß wir erreicht haben, von Funktionstragenden der Region angemessen ernst genommen zu werden. Daraus folgt unsere Einbindung in jene Prozesse der Regionalentwicklung, über die gerade die Weichenstellungen für die kommenden Jahre herbeigeführt werden.
Bei derlei Engagement für eine gemeinwesenorientierte Kulturarbeit entfällt freilich nicht die Arbeit an Fragen und Bedingungen der Gegenwartskunst abseits des Landeszentrums.
In diesem Zusammenhang war das heurige Gleisdorfer Kunstsymposion maßgeblich. Es ist einerseits Anlaß gewesen, die Frage nach der Rolle Kunstschaffender in unserer Gesellschaft zu stellen und zu bearbeiten, es war andrerseits am Vorabend von 2014 dem Thema „100 Jahre Schüsse von Sarajevo“ gewidmet.
+) Das Kunstsymposion: [link]
+) Die neue Generaldokumentation von „kunst ost“: [link]
Bei diesem Kunstsymposion ging es unter anderem auch um Formen kollektiver Kulturarbeit und Kunstpraxis. Das hat in einem speziellen Aspekt bei „kunst ost“ schon einen längeren Vorlauf. Ich meine eine Praxis der Wissensarbeit, die sich inzwischen auch als Basis des „Kulturpakt Gleisdorf“ anbietet.
Damit meine ich, daß Wissen nicht als “Herrschaftswissen“ angelegt ist, welches einigen wenigen Leuten Vorteile verschafft, sondern als gemeinsam nutzbare Ressource. Es ist in unseren kollektiven Arbeitsprozessen stets zur Debatte gestellt und gilt nie als in Stein gemeißelt. Das heißt, es ist grundsätzlich revidierbar.
Wissen, das wir teilen, muß revidierbar bleiben. Dazu sind Transparenz und Dokumentation wichtig. Das bedeutet zum Beispiel: Was bei „kunst ost“ über regionale Entwicklungsschritte, relevante Themenstellungen und verfügbare Ressourcen (Geld und andere Mittel) gewußt wird, ist auch für Außenstehende problemlos erfahrbar.
Dazu braucht man bloß unsere Website im Auge behalten und die frei zugänglichen Meetings besuchen. Die Frage des Dazugehörens wird nicht von Personen, sondern vom Modus geregelt. Aktive Anwesenheit und adäquate Kommunikation sind die wichtigsten Zugangsmittel. (Nur wer anwesend ist, bestimmt mit.)
Wissensarbeit ist eine kollektive Praxis. Erfahrungs- und Wissensaustausch bedürfen hier der Gemeinschaft. Darin hat für uns ein „problemorientiertes Lernen“ großes Gewicht, weil nur so die Kompetenzen entstehen und wachsen, die uns als Kulturschaffende in der Region mehr Relevanz verleihen.
Dabei sind übrigens eine Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten hilfreich, die man aus langjähriger Kunstpraxis bezieht. Deswegen ist aber jetzt nicht die Kunst ein Mittel der Regionalentwicklung, sondern die Kompetenzen aus der Kunstpraxis sind es. Diese feine Unterscheidung bleibt wichtig.
Ich habe hier schon öfter die nachteiligen Konsequenzen einer langjährigen Abwertung von Wissensarbeit angesprochen. Über Appelle, über empörte Zurufe ist an der Sache nichts zu verbessern. Es geht um konkrete Praxismodelle, die dem entgegenwirken.
In diesem Sinn und Zusammenhang ist „kunst ost“ aus der Funktion einer soziokulturellen Drehscheibe während einiger Jahre nun in den Zustand eines Kulturlabors übergegangen.