Es läßt sich etwa so zusammenfassen: Das Metier „Kunst & Kultur“ ist in einigen planenden Gremien der Regionalentwicklung angekommen. Das ist kein künstlerischer Akt und ich neige auch nicht dazu, diese Arbeit oder andere Varianten von Sozialarbeit als „Intervention“ herauszustellen, um derlei auf solchem Umweg unter die Flagge der Kunst zu reklamieren.
Etwas polemisch ausgedrückt: Können wir konzentriert über die Konsequenzen von Beuys reden und brauchbare Schlüsse ziehen oder lassen wir es lieber bloß beuyseln?
Was mich darauf bringt? Gestern fand in Gleisdorf der „TERIM-Workshop“ statt. Das Kürzel ist praktisch, da es ansonsten etwas dauert, den vollständigen Titel über die Lippen zu bekommen: „Transformationsdynamik in Energieregionen: Ein ganzheitliches Modell für Energiepolitik“.
Warum sollten nun Kunst- und Kulturschaffende sich damit befassen? Genau! Warum sollte uns scheren, welche Inhalte zu welchen Planungsschritten in unserem Lebensraum führen? Um es salopp zu begründen: Ich finde es erfrischend und erfreulich, daß mein Metier auch gefragt ist, wenn solche Fragen anstehen.
Damit geht freilich sofort jegliche Unschuldsvermutung den Bach runter. Sich einlassen und dabei unschuldig bleiben, das halte ich für ziemlich illusorisch.
Das genannte Projekt ist eine Kooperation der Energieregion Weiz-Gleisdorf mit der Universität Graz sowie der Universität München, dem Institut für Systemwissenschaften, Innovations- & Nachhaltigkeitsforschung. (Irgendwo ist da auch noch die TU Graz im Spiel.)
Was zu tun war? LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli: „Vorstellen der Resultate von TERIM, Erarbeitung und Diskussion von politischen Maßnahmen, Bewertung von Thesen zur Entwicklung der Energieregion Weiz-Gleisdorf.“
Das ist also nicht der passende Anlaß, um eigenen Zuständen auf expressive Art nachzugehen, wahlweise mehr oder weniger elegante Befindlichkeitsprosa vorzulegen. Ein weiterer Hinweis darauf, daß die Kunst mit Belangen der Regionalentwicklung weder befrachtet werden soll, noch befrachtet werden kann.
Die Kunst bezieht ihre Aufträge aus sich selbst; soweit ein breiter Konsens seit der Renaissance. DAS ist vor allem mit „Freiheit der Kunst“ gemeint. Diese notwendige Selbstbezogenheit der Kunst entkräftet sie folglich als Werkzeugkasten für die Reparaturarbeit an sozialen Problemlagen, als Wonnespender für Tourismusbüros etc.
Wo wir nun als Kunstschaffende gesellschaftlicher Marginalisierung widerstreben und in den genannten Prozessen ernst genommen werden wollen, werden wir nicht primär die Mittel der Kunst einzusetzen haben, sondern die Kompetenzen, welche aus der Befassung mit Kunst erwachsen. Ein feiner und bedeutender Unterschied.
Was unsere Optionen als Kunst- und Kulturschaffende angeht, wird eine wesentliche Fragestellung im „Kulturpakt Gleisdorf“ [link] sein und bleiben: Wofür will ich selbst Verantwortung übernehmen?
Diese Satz kann auch in folgenden übersetzt werden: Was werde ich tun?
Das Sätzchen steht quasi als Gegenposition zu: Ich könnte vielleicht und würde gerne, falls…
Als der informelle Teil des erwähnten Treffens uns in die Nacht spülte, bröselte aus meinem Faible für billige Unterhaltung eine Sequenz aus irgendeiner Fernsehserie, ich weiß nicht einmal mehr welche, da ein Täter, ein Delinquent, mit Handschellen an einen Tisch gefesselt dasitzt und mit einigem Unmut behauptet: „Sklaven träumen nicht davon frei zu sein, sie träumen davon Herren zu sein.“
Daß, wenn es sich bestätigen läßt, ist eine ziemlich unangenehme Tatsache. Ich zweifle übrigens nicht an der Stichhaltigkeit dieser Behauptung.
Ulli Vilsmaier, Professorin für transdisziplinäre Methoden, antwortete darauf mit der Erwähnung von Paulo Freire. Ich hab eben in meiner Bibliothek gekramt. Freires „Pädagogik der Unterdrückten“ war für uns in den 1980er-Jahren Inspiration und Ablaß für Debatten.
Heute muß ich schon mit Schaufel und Krampen losziehen, wenn ich in meinem Milieu noch Spuren solcher Überlegungen und Debatten finden möchte. Ich glaube, da geht mir etwas ab.
In meinem Archiv besagen einige Papiere, daß wir 1993, also vor 20 Jahren, eine Dekade zu feiern hatten, in welcher der „SO-Verein für regionale Kulturarbeit“ Fragen und Themen behandelt hat, die auch heute noch auf dem Tisch liegen.
Fußnötchen: Erwin „Asti“ Eggenreich, heute Bürgermeister von Weiz, war Teil dieser Crew. An der „SO-Zeitung“, die wir etliche Jahre herausgegeben haben, ist unter anderem bemerkenswert, daß ich darin die erste Textveröffentlichung von Thomas Glavinic realisiert habe. Der ist ja inzwischen als Romancier weit über diese Zusammenhänge hinausgewachsen…
Siehe zum Vorlauf dieser Session: „…und dann 2050?“ (Reflexionen zum Projekt „iEnergie Weiz-Gleisdorf“) [link]