Das Wort Revolution wird gerne in den Mund genommen, um irgendwelche Neuerungen oder auch bloß erhoffte Neuerungen hervorzuheben. Im trivialen Eck, so zeigen uns zum Beispiel heftige Filme, rennen dann plötzlich Mannsbilder mit Kalaschnikows herum. So sollen wir uns eine Revolution vorstellen.
Mumpitz! Meist sind es ja keine Schnellfeuergewehre, sondern ganz andere Maschinchen, die uns in neue Verhältnisse stürzen, die uns Umorientierungen abverlangen. Maschinchen wie etwa jenes Hochrad, das uns Sammler Max Reder geliehen hat.
Es ist ein fragil scheinendes Clement No.2 aus dem Jahr 1887. Gottfried Lagler, der heuer die „Löwen-Rallye“ organisiert und rund ums Jahr einen „Oldtimer-Stammtisch“ betreut, sah sich das Stück nun genauer an.
Eben dieser Typ des „Penny Farthing“ leitete eine soziale Revolution ein. Derlei Hochräder waren sehr teuer und sehr (sturz-) gefährlich, doch sie gaben den Anlaß für weitere Entwicklungsschritte. Mit dem nachfolgenden Typ des Niederrades („Safety“) waren dann die Weichen Richtung individueller Mobilität auf ganz neuem Niveau gestellt.
Aber nicht nur der Bewegungsdrang der Menschen erhielt innovative Impulse. Der Fahrradbau brachte technologische Details hervor, die später den Automobil-Konstrukteuren zugute kamen. (Kettenantrieb, Differenzial etc.)
All das beeinflußte auch die Machtverhältnisse in Europa. Hatte nicht zuvor schon Napoleon vor allem mit seiner stürmischen Reiterei ganz Europa durcheinandergerüttelt? Logistik aus erhöhter Mobilität veränderte das Kriegsgeschehen grundlegend. Tempo wurde zunehmend wichtig. Das Transportwesen als Machtfaktor…
Ich habe oben erwähnt, dieses Clement No.2 stamme aus dem Jahr 1887. Das ist mitten in einem interessanten Zeitfenster gelegen.
Europa wurde 1878 beim Berliner Kongreß von den Großmächten neu geordnet; über die Köpfe kleinerer Völker hinweg. Österreich bezog dort die „Legitimation“, den Balkan zu kolonialisieren. 1897 bescherte der „Sprachenstreit“ dem Hause Habsburg in der „Badeni-Krise“ eine schwere Regierungskrise.
Beide Ereignisse verweisen auf den „Großen Krieg“, den wir als „Ersten Weltkrieg“ kennen. Damit versuchten die Habsburger etliche ihrer aktuellen Probleme abzuschütteln. Nun wieder zu Gottfried Lagler und zur „Löwen-Rallye“.
Bei dieser Veranstaltung werden wir Gelegenheit haben, einen sehr spezielle Austro-Fiat aus dem Jahr 1914 zu sehen. Es ist jener Typ 15/35, der als „Kaiserwagen“ gilt, weil Kaiser Karl ihn im Ersten Weltkrieg als Dienstfahrzeug zur Verfügung hatte.
So rundet sich das Themenspektrum, denn wir sind ja zugleich unterwegs, im Gleisdorfer Kunstsymposion den Auftakt zu erarbeiten, der uns in das Jahr 2014 bringt, wo wir an 1914 zu denken haben, an hundert Jahre „Schüsse von Sarajevo“.
Seither hat Europa nicht mehr aufgehört, sich zu verändern, neu zu ordnen. Aber heute sind wir keine Untertanen mehr, die alles hinnehmen müssen. Heute können wir uns auch aufraffen und in solchen Veränderungsprozessen mitreden…
P.S.:
Der Begriff „Penny Farthing“ soll laut Überlieferung daher kommen, daß zwei alte britische Münzen, nämlich ein Penny und ein Farthing, wenn man sie nebeneinander legt, etwa das Bild ergeben, das wir beim Hochrad in der Kombination eines großen und kleinen Rades finden. (Der Farthing ist ein Viertel-Penny.)
+) In Bewegung (Gleisdorfer Herbst-Schwerpunkt) [link]
+) Das Gleisdorfer Kunstsymposion 2013 [link]