Klartext #2

Sollten wir uns nicht als eine „Sekte der Gnadenlos Guten“ erweisen, deren Inhalte und deren Tun außer Diskussion gestellt werden möchten, haben wir laufend neu zu klären, was gemeint sei, wenn von Künstlerinnen und Künstlern die Rede ist.

Martin Krusche (Foto: Milan Bosnic)

In meinem nahen Umfeld herrscht merkliche Sprödheit, sehe ich keine auffallenden Intentionen, solche Klärungen zu verfolgen. Auch eine inzwischen intellektuell völlig zusammengebrochene IG Kultur Steiermark hat in der Sache irritierende Vermeidungsstrategien entwickelt.

Vor über einem Jahr gab es einen letzten mir bekannten Ansatz der IG, so einen Diskurs wenigstens anzudeuten. Wir kamen damals, als Teil einer Serie, in Pischelsdorf zusammen: [link]

Bis heute kenne ich keinen Moment der Reflexion oder wenigstens Dokumentation dieser kleinen Veranstaltungs-Serie, welche den Titel „Kunst der Kulturpolitik“ trug und offenbar auf Kunstfertigkeit hinauslief, nämlich sich selbst, a la Houdini, verschwinden zu machen.

Mirjana Peitler-Selakov (links) und Milica Milicevic (Foto: Milan Bosnic)

Darüber braucht man heute offenbar kein Wort mehr zu verlieren, die Simulation von kulturpolitischer Basiskompetenz in der Steiermark bleibt ohne öffentliche Einwände, ohne Widerspruch. Ich muß das mutmaßlich als ein Faktum akzeptieren. Aber ich muß mich dem nicht anschließen.

Was geschah nun hier, als wir Gäste von Galerist Eugen Lendl waren? Einige Sätze zu den Vorbedingungen…

Ich habe vor Jahren unzählige kleine Features geschrieben, um einzelne Personen in der Oststeiermark etwas greifbarer werden zu lassen. Wenn ich mich recht erinnere, war das erste dieser Features einer Frau um 80 gewidmet, die knapp davor stand, ihre kleine chemische Reinigung zuzusperren. (In den Räumen dieser Putzerei befindet sich heute das Hinterzimmer eines Pubs.)

Bei jener Arbeit war mir mehr als klar geworden: Wir glauben zu wissen, was ein Bäcker tut, eine Ärztin, ein Kaufmann, eine Fabriksarbeiterin etc.

Wir wissen es nicht. Erst wenn wir mit den Menschen gesprochen haben, bekommen wir brauchbare Eindrücke davon, was ihr Job ist.

Im Jahr 1977 hatte ich eine großspurige und romantische Geste gesetzt, um meinem damaligen Boss, dem Geschäftsführer der Buchhandlung „Styria“, meine Demission auf den Schreibtisch zu wuchten: „Ich komme morgen nicht mehr.“

Eugen Lendl (Foto: Milan Bosnic)

„Was wollen Sie damit sagen?“ fragte mich Herr Klement mit merklicher Irritation. „Ich will als Künstler leben“, war meine etwas herablassend vorgetragene Antwort.

Ich hatte, das ist rückblickend vollkommen klar, nicht die geringste Ahnung, was mich dabei erwarten würde. Meine Vorstellungen vom Kunstbetrieb waren so unrealistisch, das läßt sich gar nicht drastisch genug herausstreichen.

Kurioses Detail, ich war damals der Kollege einer Schwester von Eugen Lendl gewesen. Sie hatte im gleichen Laden als Buchhändlerin gearbeitet. Das Geschäft gibt es längst nicht mehr. Nun also diese Station der „Styrian Sessions“ von diSTRUKTURA in der Galerie Eugen Lendl, dieses Bemühen um „Klartext“ darüber, was es heißen mag, Kunstschaffen als Profession zu betreiben.

Es endet gerade das erste Jahrzehnt meines Langzeitprojektes „the long distance howl“. Um das zweite Jahrzehnt, an dem mir liegt, sinnvoll absolvieren zu können, muß ich einige der Grundlagen meiner Profession klären. Ich muß!

Ich habe in den letzten Monaten etliche Male über jene Spießer und Mittelschicht-Trutschen räsoniert, die sich in meinem Umfeld einst zum Kunstschaffen entschieden hatten, aber heute teilweise völlig lächerliche Posen zeigen, um in einigen ihrer Werke umfassend zu verschleiern, was es mit diesem Thema auf sich hat.

Das ist nur einer von mehreren Gründen für mein jetziges Tun, den erwähnten Spießern und Mittelschicht-Trutschen zu widersprechen und dem anschwellenden Geschwätz solcher Leute, garniert mit allerhand „Empörung“, etwas gegenüberzustellen. Es geht dabei auch um Selbstvergewisserung und um die Frage, was ich an meiner Position allenfalls nachjustieren muß.

Auf symbolischer Ebene ist dieser Abschnitt von „the long distance howl“, das Teilprojekt „the track“, in einen wesentliche brisanteren Zusammenhang gestellt. Mit „the track: axiom“ schaffe ich gerade eine Basis, wo ich mich mit anderen Kunstschaffenden und Intellektuellen treffe, auf daß wir uns darüber verständigen, wie wir das Jahr 2014 bearbeiten wollen.

Das ist auf 1914 bezogen, als Gavro Princip nahe der „Lateiner-Brücke“ (in Sarajevo) auf Franz Ferdinand und dessen Frau, Sophie Gräfin Chotek, stieß.

Ich habe also ein paar kleine Themen, meine eigenen, zu ordnen, aber auch im Zugehen auf ein paar große Themen zu bestehen, denn wir werden mit all dem länger zu tun haben.

Milan Bosnic

Wie ich eingangs betonte, wenn wir nicht miteinander reden, dann wissen wir nichts von einander. Man wird mir kaum widersprechen, in diesem Land hat kaum jemand halbwegs realistische Vorstellungen, was es bedeuten mag, als Künstler ein Professionist zu sein.

Angesichts dieser Tatsache bleibt unbegreiflich, warum wir, die wir dieses Metier ausüben, seit Jahrzehnten wenig bis nichts tun, um anderen klar zu machen, was das sei: Künstlerinnen und Künstler, die das als Beruf pflegen.

Mehr noch, wir sehen gelegentlich eher tatenlos zu, wie manche Kolleginnen und Kollegen verblüffenden Stumpfsinn über diese Profession verbreiten. Ich kann mich nicht mit den Motiven dieser Leute befassen, ich hab manchmal genug zu tun, die Konsequenzen von solchem Mumpitz abzuarbeiten.

Diesmal bin ich damit nicht alleine. Wir haben begonnen, das Thema ganz gezielt durchzunehmen, damit die kleine kulturell Reisegesellschaft, als die wir „the track: axiom“ nun tragen werden, einige Klarheiten schafft, wer hier arbeitet und wie das angelegt ist.

So fand nun diese Session am 20. Juli 2013 in der Galerie von Eugen Lendl statt. Milica Milicevic und Milan Bosnic standen dabei von hausaus im Fokus, Eugen Lendl auch.

Das war eben der eigentlich Beginn des Symposions, welches wir im September einlösen werden. Mit Milicevic und Bosnic werden wir am 10. September 2013 In Gleisdorf die nächste Session absolvieren. Die wird uns dann Kulturwissenschafter Matthias Marschik mit einem Vortrag abrunden, der einen größeren Zusammenhang dieser Themen ausleuchtet: „Der Mythos vom Ganzen und Einen“ (Identitätskonstruktionen in der Spätmoderne)

+) „the track: axiom, südost“: [link]

— [The Styrian Sessions] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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