Sieht man Max Reder auf einem seiner Sammelstücke aus dem 19. Jahrhundert, verweist das auf die Tatsache, daß wesentliche technische Grundlagen des Automobils in der Welt der Fahrradbauer entwickelt wurden.
Die in der Geschichtsschreibung prominent herausgestellten frühen Benziner von Daimler und Benz veranschaulichen jene Weggabelung, an der die Fahrradwelt ihre Bedeutung entfaltete.
Daimler hatte eine herkömmliche Kutsche motorisiert. Der Weg erwies sich als Sackgasse. Benz legte dagegen eine eigenständige Fahrzeugkonstruktion vor, die in etlichen Details aus dem Fahrradbau hergeleitet war.
Die luftige Bauart des Chassis mit den leichten Speichenrädern ist zu der Zeit längst gründlich erprobt gewesen, wie man ja auch an Reders Fahrzeug sehen kann. Viele Entwicklungsschritte waren zu machen, um nach den menschlichen Füßen als Mittel zum Vortrieb diverse Tretkurbel- und Hebelsysteme einzuführen, durch welche sich die Kraftausbeute des Leibes verbessern ließ.
Es ist ein besonderes Stück Fahrradgeschichte, das physikalische Prinzip der Hebel auf einen effizienten Satz von zwei Zahnrädern mit Kettenverbindung zu übertragen. Damit wurden auch die Sitzpositionen auf den Zweirädern und deren Fahrverhalten verbessert.
Die gleiche Lösung zur Kraftübersetzungs, den Zahnräder-Ketten-Satz, findet man dann bei Automobilen, bis hin zu ersten Lastwagen und Omnibussen.
Wo eine Kraftquelle mit der Antriebseinheit eines zweispurigen Fahrzeuges verbunden werden soll, stößt man auf das Problem, daß in einer Kurve Innen- und Außenrad verschieden lange Wegstrecken haben, also mit verschiedenen Geschwindigkeiten laufen sollten. Eine starre Achsverbindung schließt das aus. Mit zwei Halbachsen gibt es einen praktikablen Weg.
So hat die Erfindung des Differentials (Ausgleichsgetriebe) einen Quantensprung in der Verbesserung der Fahreigenschaften gebracht. Ob die Kraftquelle nun ein Motor oder ein menschlicher Leib ist, bleibt dabei unerheblich. Das Differential kommt also aus der Fahrradwelt.
Diese Dinge sind unter anderem aus folgenden Gründen wichtig. Die großen Energiefresser bei Kraftfahrzeugen blieben bis heute Luftwiderstand und Rollwiderstand der Reifen. Dazu kommt, daß nur wenig von der Kraft eines Motors tatsächlich bei den Rädern ankommt. Der Antriebsstrang frißt eigentlich zu viel davon.
Also hat die Anforderung einer leichten, zugleich möglichst stabilen Bauweise des ganzen Fahrzeuges ebenso große Bedeutung wie die Frage nach einem optimalen Getriebe, um zwischen Kraftquelle und Rädern klug zu vermitteln.
All das war schon Sache der Fahrradbauer. Übrigens auch auf dem Weg in die Lüfte. Denn was war wohl die Profession von Wilbur und Orville Wright gewesen? Na, Fahrradfabrikanten.
— [Die Veranstaltungsreihe] —
+) Albl „Phönix“ [link]
+) Albl „Graziosa“ [link]
+) Max Reders „Velicious Bicycles“: [link]