Viele üppig aufgestellte Städte wären heute noch Dörfer, Kaffs, eher nachrangige Orte, hätte ihnen nicht das 19. Jahrhundert einige Standortvorteile zugespielt. Doch wären man dort ohne die Nahrungsmittel aus der Provinz geblieben und ohne das unerschöpfliche Reservoir an billigen Arbeitskräften in der agrarischen Welt, es hätte sich nichts entwickeln können.
Die Oststeiermark war lange ein „Armenhaus“ der Monarchie. Das hat sich gründlich geändert. Wir haben heute eine völlig andere Situation, was Lebensstandard, Bildung und Kultur, was regional verfügbare Kompetenzen angeht. Solchen Zusammenhängen sind Fragen der „Eigenständigen Regionalentwicklung“ gewidmet, speziell auch „Gemeinwesenorientierter Kulturarbeit“.
Diese Themen verbinden mich mit Kulturwissenschafter Günther Marchner. Bei ihm habe ich die Formulierung „Wissen schafft Region“ entdeckt. (Eine Kreation von Marchner und Christine Bärnthaler.)
Kulturarbeit. Wissensarbeit. Diese Genres wurden in den letzten zwei Jahrzehnten durch die Politik und gesamt, in der Gesellschaft, rapide abgewertet. Sie erkennen das allein schon daran: Das steirische Kulturbudget macht gerade einmal 4,69 Prozent des Landesbudgets aus (Kleine Zeitung vom 26.1.2013).
Davon geht ein überwiegender Teil an große Einrichtungen, regionale Kulturinitiativen müssen sich hauptsächlich mit einem erheblichen Anteil an unbezahlter Arbeit über Wasser halten.
Selbst da rufen noch manche Blender, besinnungslose Lokalgrößen und Schwätzer, das Land habe zu sparen, also seien Kulturbudgets zu kürzen, obwohl das allein aufgrund des minimalen Anteils am Gesamtbudgets in der Provinz so gut wie nichts Vorteilhaftes bewirken kann.
Journalist Michael Tschida rechnete jüngst vor:
„Jeder Steirer zahlt pro Jahr rund 50 Euro Steuergeld für Kunst und Kultur (ohne Volkskultur). Aus diesem Topf der Kulturabteilung wurden jedem Grazer 215,76 Euro zuteil, wobei die großen Kultureinrichtungen wie Theaterholding oder Universalmuseum Joanneum dort auch ihren Sitz haben und überwiegend ihre Leistungen erbringen. Die Reststeirer ‚profitierten’ mit 4,06 Euro pro Kopf.“ [link]
Zugegeben, diese Rechnung erklärt noch nicht viel, aber sie macht eine Tendenz anschaulich. Das Verhältnis 1:53 (215,76: 4,06 = 53,14) ergibt in der Praxis, daß über den Daumen gerechnet drei Viertel des Landeskulturbudgets bei Grazer Einrichtungen und Personen verbleiben.
Dem gegenüber mache ich geltend, daß im Sinne von „Wissen schafft Region“ jenseits von Graz längst Kompetenzen und kulturelle Praxisformen entwickelt wurden, welche jenen in Graz nichts nachstehen.
Damit meine ich Inhalte und Umsetzung. Aber auch kulturpolitisch haben wir hier Modi in Erprobung, da werden uns „Zentrumsleute“ kaum erklären können, wie man es besser macht. In diesem Zusammenhang ist übrigens der 12. Juni 2013 wichtig, wo wir im großen Sitzungssaal der Gemeinde Gleisdorf (im Servicecenter) mit Politik und Verwaltung der Stadt tagen werden, um uns für die nahe Zukunft über weitere Kooperationsschritte zu verständigen.
Außerdem werden wir das heurige Arbeitsjahr mit einem gewichtigen inhaltlichen Akzent beenden, einem „Dreisprung“ mit dem eingangs erwähnten Kulturwissenschafter Günther Marchner.
Also bitte vormerken und reservieren! 17. Oktober, 8. November und 12. Dezember 2013 sind intensiven Sessions gewidmet, darunter der Dezember-Termin als öffentliche Veranstaltung.
Davor werden wir zwei miteinander punktuell verknüpfte Veranstaltungen absolviert haben, das Symposion „Südost“ zum Themenschwerpunkt „2014: Hundert Jahre Schüsse von Sarajevo“ und das Veranstaltungspaket „In Bewegung“ zum Schwerpunktthema „Mobilität“.
Auch diese Schritte sollen Klarheiten bringen, wie das strukturelle/budgetäre Verhältnis zwischen Zentrum und Provinz zu bewerten sei.