Ich war kürzlich in Anger, ich war in Hartberg, ich komme aus Gleisdorf. Plätze und Konzepte unterscheiden sich erheblich. Was für ein Vorteil, daß hier ein Prozeß in Fluß gekommen ist, wo wir einander mit den höchst unterschiedlichen Positionen und Prioritäten näher kennenlernen.
Das zeigt sich in der Kooperation mit KOMM.ST und der Initiative für Neue Zeitkultur. Um es etwas anschauliche zu machen: Setzen sie mit mir einige Schlüsselpersonen dieser Tage, etwa den Künstler Georg Gratzer, den LEADER-Manager Wolfgang Berger und den Hartbergs Kulturreferenten Ludwig Robitschko an einen Tisch. Wir können nicht unterschiedlicher erscheinen.
Nun ist es einigermaßen interessant herauszufinden, welche Themen nach unserer Auffassung in unserem Lebensraum, dieser Region, hohe Priorität haben; oder haben sollten. Wie klärt man das? Wo klärt man das?
Jede Kommune hat gewöhnlich Funktionstragende und zuständige Fachausschüsse. Dazu kommt seit Jahren die Ambition, das „Bottom up-Prinzip“ stärker auszuloten, also Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung zu etablieren.
In Gleisdorf gibt es dazu momentan einen vielversprechenden Stand der Dinge.
Wir haben mit dem „Kulturpakt Gleisdorf“ keine neue bürokratische Instanz geschaffen, die Gemeinde und Privatpersonen reglementieren würde. Dieser Pakt ergibt auch kein zusätzliches – quasi privates – „Kulturreferat“. Wir haben hier bloß ein Praxismodell erarbeitet, das als EINE Version der „best practice“ für alle Beteiligten neue Arbeitsmöglichkeiten erschließen soll.
Der strategische Ansatz ist simpel. Wir fanden ihn über die Frage, wie denn bei einbrechenden steirischen Kulturbudgets für Kunst- und Kulturschaffende Boden gewonnen werden kann, wenn keinerlei nennenswerte Zunahme von Ressourcen in Aussicht steht.
Darin dämmert auch eine kulturpolitische Grundforderung herauf, die ich persönlich vorbringe und vertrete. Ich hab schon früher nichts von einem „Gießkannenprinzip“ in der Kofinanzierung kultureller Vorhaben gehalten. Das möglichst breite Ausgießen von Fördermitteln schneidet uns von nachhaltigen Prozessen ab, weil es zu sehr auf individuelle Partikularinteressen setzt.
Doch jetzt, wo nicht nur Budgets in die Keller krachen, sondern auch regionale Strukturen völlig im Umbruch sind, hielte ich ein Festhalten an „Gießkannenprinzipien“ für fatal; wobei akute Geldknappheit von Land und Gemeinden das ja ohnehin weitgehend ausschließt.
Dafür kommt es unter uns Kulturschaffenden zu impliziten Verteilungskämpfen, die freilich im offenen Diskurs nicht thematisiert werden dürfen.
Das ist einer der Gründe, warum ich diesen Kulturpakt forciert habe, der von Transparenz und einem offenen Informationsfluß getragen sein muß, um gegen solche Retro-Tendenzen wirksam werden zu können. (Lagerbildung, Lagerbindung, Lagerabgrenzung, die antiquierte Methode, unter Anwendung von Feindbildern um Ergebnisse zu ringen.)
Statt dessen geht es demnach hier um eine Kommunikationsebene, auf der geklärt wird, welche Themen relevant sind, welche Vorhaben interessant wären. Läßt sich dazu in einigen Punkten Konsens finden, dann ist eine zeitgemäße Kooperationsfähigkeit zwischen den sehr verschiedenen Systemen gefordert: Politik & Verwaltung, Wirtschaftstreibende und Privatpersonen/Vereine.
Das zielt auf eine der Gegenwart angemessene Vorstellung von Kulturpolitik, die einer Konsensfindung gewidmet ist, welche Fragen und Themen derzeit hohe Priorität haben. Kunstschaffende, die bloß sich selbst und ihr eigenes Werk zum Gegenstand kulturpolitischer Anstrengung von Kommunen bevorzugen, mögen ihre Sache entsprechend vertreten. Ich stehe im Kontrast zu dieser Option.
Ich schätze die Notwendigkeit, seine eigenen künstlerischen Arbeitsbedingungen zu betonen, auch zu verteidigen, keineswegs gering. Aber ich habe eine sehr klare Vorstellung, daß meine Prioritäten a) als Künstler und b) als Bürger des Gemeinwesens unterschiedlich sind.
Im „Kulturpakt Gleisdorf“ bin ich nicht Repräsentant einer Kunstinitiative, sondern einer Kulturinitiative. Bitte den feinen Unterschied unbedingt zu beachten!
Als Künstler gebe ich vielen Fragen ein anderes Gewicht denn als Kulturarbeiter. Kulturpolitik entsteht auf meiner Ebene, wenn ich diese UNTERSCHIEDLICHEN Prioritätenlisten in ein angemessenes Wechselspiel bringe.
Die Gegenwartskunst hat Bedingungen, denen wir zuarbeiten müssen; das verlangt mindestens meine Rolle als Künstler der Gegenwart. Als politisch denkender Bürger, der geneigt ist, im Gemeinwesen auch Verantwortung zu übernehmen, verschiebt sich der Fokus bei manchen Schwerpunkten zwangsläufig.
In diesem Zusammenhang war es für mich gerade sehr wichtig und aufschlußreich, Teil der „Zeitgespräche: Freiraum für Kreativität“ im Schloß Hartberg zu sein. Unsere Kooperationspartnerin, die Initiative für Neue Zeitkultur, hat damit einen Schwerpunkt definiert, der uns noch länger beschäftigen sollte.
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