Wir setzen beim kommenden „April-Festival“ nicht nur auf Kunstvermittlung, sondern auch auf Diskurs. Die Reihe „talking communities“ ereignet sich vor dem Hintergrund einer permanenten Beschallung und Bespielung unseres Lebensraumes mit Stereotypen, mit klischeehaften Motiven.
Ich halte es für aussichtslos, diese Boulevard-Situation per Zuruf anzufechten. Wir müssen dem andere Inhalte und Kommunikationsweisen gegenüberstellen. Damit sind wir zum Glück nicht allein. So haben etwa die Gruppen IEFS und KOMM.ST heuer für uns bemerkenswerte Runden zusammengestellt; siehe: [link]
Das Zuschütten unserer Wahrnehmung ereignet sich in vielen Bereichen und okkupiert nicht nur halböffentliche, sondern längst auch öffentliche Räume. Unser Sehen und unser Hören soll vereinnahmt werden. Siehe zu diesem Aspekt beispielsweise: „Vom brüllenden Schlamm und seinem Gegenteil“ [link]
Die Tatsache, daß wir eine „Informationsgesellschaft“ geworden sein sollen, besagt noch nicht, daß Menschen sich informieren. Die Tatsache, daß wir eine Situation der Massenkultur leben, gestützt auf Massenmedien, besagt nicht, daß unter den leicht zugänglichen Kanälen jene gewählt werden, die eine Meinungsbildung fördern, durch welche die Welt lesbar wird.
Aber in einer Demokratie muß es den Menschen freistehen, ihre Zugänge und Quellen selbst zu wählen. Das schließt auch ein, dem Boulevard sehr viel Raum zu gewähren. Hier haben Kulturschaffende völlig ungleiche Mittel, um sich den Major Companies wirkungsvoll gegenüberzustellen; von „entgegenstellen“ kann kaum die Rede sein.
Seit zwischen Online-Medien und Printmedien ein erhebliches Gefälle besteht, boomen die „Bürgerreporter“, „Leserreporter“ und „Regionauten“ als honorarfrei gehaltene Quellen, deren Werke schon allein dadurch zu hundert Prozent den Companies überschrieben werden, indem man sie auf deren Portalen online stellt.
So heißt es bei einem Anbieter zwar beispielsweise unter „2. LEISTUNGSBESCHREIBUNG“: „Die Betreiberin stellt dem Nutzer im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Inhalten durch den Nutzer lediglich Speicherplatz zur Verfügung, um seine Inhalte zu veröffentlichen und anderen Nutzern zugänglich zu machen.“
…aber das hat seinen Preis. Siehe „8. NUTZUNG VON INFORMATIONEN UND INHALTEN / DATENBANKNUTZUNG“:
„8.1. Der Nutzer gewährt der Betreiberin mit dem Einstellen von Inhalten, wie z.B. Beiträgen, Texten, Bildern und Videos ein unentgeltliches, inhaltlich, räumlich und zeitlich unbeschränktes, wiederholtes nicht exklusives Nutzungsrecht an den jeweiligen Beiträgen und auch an den einzelnen Bestandteilen davon. Die Nutzungsberechtigung der Betreiberin umfasst alle Verwertungshandlungen einschließlich des Rechtes auf Bearbeitung in jedem möglichen als auch zukünftig möglichen technischen Verfahren print, online, mobile und in möglichen weiteren Verwertungswegen.“ Quelle:[link]
Nun könnte man meinen, dieser Preis würde bezahlt werden, um Meinungsvielfalt und kritische Öffentlichkeit zu vertreten. Aber so ist es nicht gekommen. Ein Gros der „Bürgerreporter“ hat ganz offenbar keine Auffassung von „bürgerlicher Öffentlichkeit“, die sich dem Staat und dem Markt gegenüber emanzipiert zeigt.
Ich finde dort hauptsächlich a) Public Relations statt Reportagen und b) eine unendliche Flut von Klischees und Stereotypen.
Das heißt, den freien Zugang zu Medien mit der Übertragung von 100 Prozent Copyright zu bezahlen, führt überwiegend dazu, daß gezeigt wird, was man selbst schon tausendfach gesehen hat und daher offenbar einer Publikation für wert befindet… zum tausendundersten Mal und dann weitere tausend Male.
Als Beleg ein kleines, geschlossenes Ensemble von Titelzeilen, die mir über eine dieser Plattformen dieser Tage zugesandt wurden:
Begegnung mit dem „Salzburger Altstadtgeist“ 😉
Märzenschnee tut den Saaten und Blumen weh.
Österliche Dekoration!
Wenn im März viel Nebel fallen, im Sommer viel Gewitter schallen.
Am Wegesrand!
Ha….Ha……Hatschi!
Da wird nichts erhoben und überprüft, da wird nichts gewagt, da wird bloß ein eher flacher kultureller Kanon rauf- und runterdekliniert. Das legt die Vermutung nahe, Selbstdarstellung geht vor die Möglichkeit, die Welt zu erschließen. Bleibt uns also, es mit offenen Fragen etwas genauer zu nehmen…
— [April-Festival] [talking communities] —
P.s.:
Bei der „INITIATIVE FÜR NEUE ZEITKULTUR“ arbeitet Christine Wiesenhofer gerade an einem Symposion unter dem Titel „Zeitgespräche über die Kreativität und ihre Umstände“, das vom 16. bis 18. Mai 2013 in Hartberg stattfinden wird.