Kunst, Kultur, Politik, Kulturpolitik
Die Kunst ist der Gesellschaft zu gar nichts verpflichtet. Wer mir mit Floskeln kommt wie „Die Aufgabe der Kunst ist es…“, kriegt von mir in der Regel zweierlei zu hören. Erstens: „Rutschen Sie mir den Buckel runter!“ Zweitens: „Lernen Sie Kulturgeschichte!“
Zur Erinnerung, seit der Renaissance haben wir Übereinkunft in der zentralen Frage und dieser Konsens wurde bisher noch nicht aufgehoben: Die Kunst ist sich selbst Auftraggeberin und keiner anderen Instanz als sich selbst verpflichtet.
Als Künstler arbeite ich vorzugsweise wie ein Grundlagenforscher, der bestimmten Themenstellungen nachgeht, um Klarheiten zu finden, nicht um soziale Aufgaben zu bearbeiten.
Anders als Kulturschaffender. Da sehe ich mich in einer Rolle mit ganz anderen Agenda. Kulturschaffender kann ich überhaupt nur in einer Rückbindung an eine konkrete gesellschaftliche Situation sein. Das empfinde ich auch als verpflichtend, gemäß meinem Verständnis, was ein soziales und politisches Wesen sei.
In diesem Sinn sehe ich auch meinen Part als Intellektueller; in Berufung auf das Rollenmodell Emile Zola. Der Intellektuelle bringt sich in die öffentlichen Diskurse ein, ohne dazu von einer Institution oder Instanz aufgerufen worden zu sein. Das bedingt aber nicht Künstler zu sein.
Daß sich Zola in einer unakzeptablen politischen Situation aufgeschwungen hat, den französischen Staat herauszufordern, war kein künstlerischer Akt, war aber von den Kompetenzen getragen, die Zola aus künstlerischer Praxis bezogen hat.
Als Künstler und als Kulturschaffender lege ich gleichermaßen Wert auf ein anregendes geistiges Klima, in dem die Kunst ebenso gedeihen kann wie eine demokratische Gesellschaft, die auf soziale Stabilität ausgerichtet ist, was mindestens zweierlei verlangt: Verteilungsgerechtigkeit und ein adäquates Reflexionsvermögen der Menschen.
In der Steiermark stehen einige Aspekte solcher Zusammenhänge sogar ausdrücklich im Landeskulturförderungsgesetz. Ich nenne drei von mehreren Punkten: „§ 1 (4) Die Kultur- und Kunstförderung des Landes hat insbesondere folgende Ziele zu beachten“:
[…] 2. die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive kulturelle Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen Prozess in jeder Region des Landes; 3. eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit; 4. die Öffnung gegenüber neuen kulturellen und künstlerischen Entwicklungen im In- und Ausland […]
Wenn es nun darum geht, die Situation des Landes in diesem Sinn zu befestigen, wo derzeit sehr vielfältige Kriseneffekte an allem rütteln, dann werde ich mich darin nicht bloß auf Kolleginnen und Kollegen des Kulturbereiches beziehen. Da sollten weiterreichende Allianzen wachsen.
Wie schon angedeutet, hier spreche ich als Kulturschaffender, nicht als Künstler. Als Künstler, so möchte ich es pointiert sagen, betrachte ich die Welt wie sie ist, beforsche sie und reflektiere manches davon in meiner künstlerischen Praxis, ohne mit diesen künstlerischen Mitteln auf die Welt einwirken zu wollen.
Werke und Prozesse bestehen für sich, Interessierte können sich darauf einlassen. Bleibt aber Publikum aus, macht das die geleistete Arbeit ja nicht ungeschehen, wie auch meine Erkenntnis- und Lernprozesse davon unberührt bleiben.
Da aber die Kunst unter anderem ein umfassendes Kommunikationssystem bietet, liegt es nahe, daß ich mich innerhalb dieses Systems mit anderen Kunstschaffenden bzw. Kunstinteressierten austausche. Die sind dabei nicht unbedingt mein Publikum, sondern meine Gegenüber in Dialogen.
Es ist damit wie mit einer fremden Sprache in einer fremden Kultur. Wer sich darauf längerfristig und konsequent einläßt, wird dabei grundlegend andere Erfahrungen machen als jemand, der zum Beispiel mit einem schlanken Sprachführer in der Tasche nach China aufbricht, ohne sich weiter darauf vorbereitet zu haben.
Als Kulturschaffender habe ich politische und soziale Anliegen, deren Bearbeitung mich beschäftigt. Darin will ich mit anderen Menschen in meinem Lebensraum sehr grundsätzlich im Austausch stehen. Das ist auch der Bereich und Zusammenhang, wo sich Funktionstragende aus Politik und Verwaltung mit mir auseinandersetzen müssen.
Damit meine ich, diese Anforderung ergibt sich nicht aus dem Umstand daß ich Künstler bin, sondern aus der Tatsache, daß ich – Bürger und Kulturschaffender – am Gemeinwesen aktiv teilnehme. Das freilich vor dem Hintergrund meiner Profession (Künstler) und auf die Kompetenzen gestützt, die ich laufend aus dieser Profession beziehe.
Aus genau solchen Gesamtzusammenhängen ergeben sich meine kulturpolitischen Ansichten und Anforderungen. Das schließt notwendig Fragen der Bildungspolitik ein und das stellt Ansprüche an die Ökonomie.
So muß auch Regionalpolitik ein Konzert sehr unterschiedlicher Stimmen aus verschiedenen Instanzen sein und was dabei „bottom up“ sei, wie es in regionalen Förderprogrammen ausdrücklich gefordert wird, haben wir also von der Basis der Bürgerinnen und Bürger her zu klären. Das haben uns nicht Funktionstragende aus Politik und Verwaltung zuzurufen.
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