Das Symposion [link] ist eine kräftige Markierung im Raum und auf dem Zeitpfeil unserer Vorhaben. Gerade in einer Phase, welche in der gesamten Steiermark mehr als krisenhaft erlebt wird, was gewöhnlich den Bereichen Kunst und Kultur größte Einbrüche beschert, gehen wir nach einem längeren Prozeß der Vorarbeit an die Öffentlichkeit und sagen klar, daß wir der Gegenwartskunst hier, in der Provinz, ganz neue Bedingungen schaffen wollen.
Wir tun das nicht in einer Trotzreaktion, nicht in einer rebellischen Attitüde, sondern in klarer Überlegung, aus der heraus wir präzise die Gründe dafür nennen. Freilich auch mit Augenmerk auf einige massive Problemquellen, von denen ich die drei markantesten in meinem Vortrag genannt habe:
+) Die langjährige Abwertung der Wissensarbeit
+) Die kommenden Gemeindezusammenlegungen
+) Das steirische Doppelbudget 2013/14 unter den Maastricht-Kriterien
Um unser Vorhaben nun abseits des Landeszentrums voranzubringen, ohne Verzögerung, in eben diesen Zeiten mit eben diesen Problemlagen, ist das Verknüpfen von lokalem Gewischt, regionaler Wirkung und internationaler Relevanz Voraussetzung.
Ohne diese Aspekte beinanderhalten zu können, erschiene es mit aussichtslos, die notwendigen Sach- und die Machtpromotoren ins Boot zu bekommen. Beim Symposion haben wir nun ansatzweise sehen können, was „Sach- und Machtpromotoren“ im überregionalen Kontext sein könnten; in Politik und Wirtschaft, aber auch bei den „primären Kräften“, unter Kunst- und Kulturschaffenden.
Für die lokale und regionale Ebene ist das noch nicht so klar. Da bleibt einige Klärungs- und Grundlagenarbeit zu tun. Mit der müssen wir freilich nicht bei Null beginnen.
Einer der kniffligsten Bereiche ist dabei sicher die Frage, wie sich „Hobbyliga“ und „Profiliga“ zu wechselseitigem Nutzen vereinbaren lassen und wie dabei auch ein kommunaler Nutzen generiert werden kann, der Leute aus Politik und Verwaltung der Region bewegen mag, diese Prozesse mitzutragen.
Daher nun etwas sehr Grundsätzliches!
Ich fühle mich mit der Kunsttheorie von Boris Groys ziemlich wohl. Seine Auffassung, daß in einem permanenten Prozeß stets Bewegung zwischen hier valorisierter Kultur und da profanen Räumen herrsche, kommt meinen bevorzugten Denk- und Arbeitsweisen sehr entgegen, verschiebt ferner den Fokus von der Frage „Was ist Kunst?“ zur Frage „Wann ist Kunst?“.
Groys bestärkt mich in der Vorstellung einer dynamischen Situation der Kunst. Fixe Positionen sind anfechtbar und veränderbar. Wir leben alltäglich in diesen Verhältnissen, die uns zwischen profanem Raum und valorisierter Kultur pendeln lassen.
Die Kunst und das Profane ergeben also Felder, zwischen denen wir zum Beispiel Artefakte hin- und herschieben. Was davon längerfristig in kulturelle Archive eingehen mag, muß mich im Augenblick nicht vorrangig beschäftigen.
Diese bewegten Verhältnisse haben einen sehr wichtigen Vorteil für die regionale Kulturarbeit. Ich habe oft genug betont, daß vermutlich über 80 Prozent der Kreativen, die hier — in der Provinz — Mittel und Möglichkeiten der Kulturpolitik beanspruchen, sich nicht der Gegenwartskunst verpflichtet sehen, sondern den Voluntary Arts zuzurechnen sind.
Konventionelle Kulturarbeit meidet leider nicht unbedingt die Hierarchien. Also wäre in herkömmlicher Auffassung mit Frontstellungen zu rechnen, letztlich sogar mit Gegnerschaften. Die Realität zeigt längst, daß derlei Frontstellungen und Gegnerschaften sogar innerhalb der Genres häufig vorkommen. Um so mehr läge es nahe, Gegenwartskunst und Voluntary Arts als einander ausschließende Optionen zu verstehen.
Ich kann dieser Sicht der Dinge aber nichts abgewinnen, obwohl ich mich seit Jahren bemühe, in der Betrachtung der Ergebnisse für etwas mehr Trennschärfe in den Zuschreibungen zu sorgen. Gegenwartskunst und Voluntary Arts sind zwei verschiedene Genres, die wir bei kunst ost nicht horizontal, sondern komplementär anordnen.
Wenn man also Groys zustimmen kann, mindestens aber, falls man ihm nicht gar so sehr widersprechen kann, was die Kräftespiele zwischen profanem Raum und valorisierter Kultur angeht, dann würde das altvertraute Theater der Lagerbildung, Lagerbindung und Lagerabgrenzung keinen Sinn ergeben.
Das heißt, ich sehe mich eindeutig der Gegenwartskunst verpflichtet, aber nicht in „Gegnerschaft“ zu den Voluntaries; schon allein deshalb, weil es keinerlei Garantien gibt, daß mein Werk als valorisiert a) anerkannt wird und b) anerkannt bleibt.
Damit meine ich:
Was eine Gesellschaft längerfristig als „archivwürdig“ einstuft, steht völlig in den Sternen. Es wäre demnach mehr als lächerlich, schon weit vor diesen Klärungen darüber zu streiten, wer sich der Zugehörigkeit zu welchem Lager sicher fühlen darf.
— [Das Symposion] —