basis-kunst: Jetzt aber…

Ob ich gut gelaunt bin? Ich könnte kaum vergnügter sein. Naja, ich könnte so vergnügt UND trunken von Lamprechts Weißburgunder sein. Das wäre noch eine zusätzliche Nuance, die mir behagen würde. Aber der neue Weißburgunder ist noch nicht auf Flaschen gezogen.

War jemand 2010 dabei, als wir die erste LEADER-Kulturkonferenz der Steiermark (mit der damaligen Kulturlandesrätin Bettina Vollath) in einer Weizer Autowerkstatt über die Bühne brachten? Das fanden vorab nicht alle Beteiligten so passend. Aber das hat hinreißend funktioniert. Jetzt kommt es noch eine Spur heftiger.

Kulturkonferenz in der Werkstatt vom „Loder Luis“

Heute hatten wir den ersten Tag eines ganzen Symposions in der Rundhalle von Binder +Co. (Schwere Kräne, schwere Gerätschaften!) Ich war satte zwölf Stunden in dieser fulminanten Hütte, während dort im Hintergrund der Werksbetrieb weiterlief, was sich dank eines vorzüglichen Sound-Systems regeln ließ.

In einer ausladenden Session mit einer Ansammlung geistreicher und erfahrener Menschen aus dem Kunstbetrieb, Leute aus sehr verschiedenen Windrichtungen, freundlich gesinnte Reisende in einem Ablauf anregender Momente. Wie könnte ich also nicht vergnügt sein?

Auf der Bühne: Ludger Hünnekens vom Burda Museum (Baden-Baden)

Und zur Neige des Abends Richard Kriesche mit seinen Ausführungen über den Bauern Franz Gsellmann. Das war eine ziemlich skurrile Geschichte. Außerdem hätte ich das gerne auf einem Plakat gehabt: „Das Abendprogramm des milden Saeptembertages gestalten für Sie KRUSCHE & KRIESCHE.“ Ich finde das phonetisch sensationell.

Apropos phonetisch sensationell. Beim Herumstreichen in der Farbrikshalle entdeckte ich auf einen Holzkiste den Fachausdruck „Unwuchterreger“. Was für ein Wort!

Wenn man weiß, daß Binder +Co unter anderem Industriesiebe bauen, also rüttelnde Apparate aus zentimeterdicken Stahlplatten, dann kommt man der Wortbedeutung auf die Spur. Unwucht ist das unrunde Laufen einer runden Sache, die gewöhnlich rund laufen sollte, aber in manchen Funktionen eben Unwucht benötigt. (Sie ahnen schon, das sind so Zusammenhänge, die können einen sehr anfällig für Poesie machen.)

Richard Kriesche, randvoll von Erlebtem und Gedachtem, in prächtiger Erzähllaune

Paßt gut als Assoziationskonglomerat zu den Erinnerungen aus meiner kürzliche absolvierten Ausfahrt ins schwere Gelände, bei dem mir die alten Haudegen der vormaligen Steyr-Daimler-Puch AG gezeigt haben, wo der Schraubenschlüssel hängt; siehe dazu: „Die Gefolgschaft des Ikarus“: [link]

Ich liebe dieses Pendeln zwischen derlei Welten. Da die Mechaniker, geballtes Erfahrungswissen, das sehr wesentlich über zupackende Hände entsteht. Dort die Reflexions-Athleten. Zwischendrin so viele Mischvarianten, Lebenskonzepte höchst kontrastreicher Art.

Gewöhnlich muß ich weit fahren und einiges an Geld ausstreuen, um solche Stunden zu erleben. Morgen geht es in die zweite Session und da werde ich schon nicht mehr ganz der gewesen sein, der ich heute war.

Im Schatten dieser Vorkommnisse war die nächste Zustandsänderung von „the track: axiom“ zu notieren: [link] (Selmane! Was für gute Stunden! Was für ein Mut in Euren Reihen! Svaka cast!)

Nicht genannter Arbeiter. (Ich hab gefragt, er sagte: Ist schon okay!) Was für ein Motörchen! Was für Riemenscheiben!

Nun kommt vermutlich manches in ruhigere Bahnen. Die letzte Zeit habe ich pro Tag im Schnitt drei Wäschegarnituren durchgeschwitzt. Das ist kein übliches Verhalten meines Körpers. Vorerst träume ich auch von einer Austausch-Schulter, weil sich einige Beschädigungen, die ich mir auf Straßen geholt habe, nicht mehr adäquat kompensieren lassen.

Aber mitten in diesen Momenten leiblichen Aufruhrs entstehen so merkwürdige Klarheiten in meinem Kopf. Und ich freue mich, eher banal, daß ich vor Tagen den definitiv letzten „Pinzgauer“ hab fahren dürfen, der in Österreich gebaut wurde. Er funktioniert natürlich nicht anders als andere „Pinzgauer“. Deshalb ist das banal.

"the track: axiom" (weitere zustandsänderung)

Das hat nun mit diesem Symposion eigentlich gar nichts zu tun, aber viel mit mir und in welchen Zustand ich gerade dieses Symposion erlebt habe. Sie verstehen, wie sowas zusammenhängt?

Das Symbolische hat Gewicht. Vergangenes, Zusammenhängendes, Momente… Und wie wir das alles zu Geschichten bündeln, die wir einander erzählen… Das sind Agenda der Kunst, aber eben nicht nur, solche Leidenschaften teilen wir mit allerhand anderen Menschen.

— [Das Symposion] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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