Umbruch: Paradigmen überdenken

Von Christian Henner-Fehr stammt der Satz: „Kultureinrichtungen suchen ja meist einen Sponsor, der sie unterstützt. Dass man selbst auch Sponsor sein könnte und damit die Seite wechselt, ist meist (noch) denkunmöglich.“ Das ist endlich einmal eine neue Überlegung gegenüber den alten Bildern vom Sponsoring, die für uns in den meisten Fällen nicht anwendbar, umsetzbar sind, weil die verschiedenen Positionen sich als nicht kompatibel erweisen.

Künstler Selman Trtovac fragt nach inneren und äußeren Strategien von Kunstschaffenden

Wir pflegen nun schon geraume Zeit Kontakt mit „Treci Beograd“. Ein serbisches Künstlerkollektiv, bei dem sich genau das in hohem Maße finden und in der Praxis betrachten läßt: „selbst auch Sponsor sein“. Selman Trovac, ein Exponent dieser Gruppe, weilt gerade in der Steiermark.

Aus den zahlreichen Gesprächen mit ihm ahne ich, was einen essentiellen Unterschied der Haltungen ausmacht. Von meinen Leuten kenne ich die Attitüde: „Was? Darum soll ich mich auch noch kümmern? Das geht nicht!“ Die Konsequenz ist dann meistens, daß gar nichts mehr läuft. Tolles Konzept!

Trtovac verfolgt dagegen eine ganz andere Handlungsmöglichkeit, in der er persönliche künstlerische Strategien und die Agenda Kulturschaffender kombiniert. Dazu vielleicht ein anderes mal mehr…

Das selbst gebaute Kulturzentrum am Ufer der Donau: "Treci Beograd"

Kompatible Positionen? Die hab ich eingangs erwähnt. Welche Positionen? Na, da muß schließlich jemand sein, der Geld verfügbar hat, um es in unsere Vorhaben zu investieren. Wir müssen darstellen können, was von unserem Tun welchen Nutzen für diese Person erbringt. Wie lauten die Argumente? Was ist der Nutzen? Wer verfügt über welche frei disponierbaren Budgets? Welcher Art werden Kommunikation und Kooperation der Beteiligten sein?

Hinzu kommt, daß Sponsoring, wie es uns erreicht, meist nach „Zentrumskonzepten“ in urbanen Räumen und zugunsten herkömmlicher „Repräsentationskultur“ erfolgt, was wir dann auf dem Lande oft als „Operettenfestspiele“ und dergleichen wiederfinden.

Wo es Gegenwartskunst meint, verlangt es in der Regel nach künstlerischen Prozessen und Werken von internationaler Relevanz. Derlei ist in der Provinz die Ausnahme, zumal hier sicher rund 80 Prozent der aktiven Kreativen von ihren Werken her den Voluntary Arts zuzurechnen wären, was zum Beispiel die Kunstsammler unter den Firmenbossen überhaupt nicht interessiert.

So muß notiert werden:
Wir haben momentan eher keine brauchbare Vorstellung, wie sich Sponsoring bei uns ereignen soll und worauf es gestützt sein will. Bei all dem möchte ich unberücksichtigt lassen, was 250 oder 300 Euro sind, die von einem lokalen Geschäft abgeholt werden könnten, um deren Logo auf einen Flyer zu stanzen. Damit lassen sich ohnehin gerade einmal PR-Kosten abdecken, mehr schaut dabei nicht heraus.

"Treci Beograd" nahe der Panceo-Brücke: Muß das Kunstgeschehen enden, wenn der Staat aufhört, es zu finanzieren?

In Künstlerkreisen wird bei uns gelegentlich ganz gerne so getan, als wären derlei Überlegungen eine Zumutung, eine Befleckung der eigenen Haltungen und Ideale, eine Last, der sich Kunstschaffende zu entziehen hätten. In der Praxis finde ich dann meist bei den selben Leuten sehr wenig Zimperlichkeit, was Ideale, Prinzipien und Unvereinbarkeits-Optionen angeht. Klar. Der daraus resultierende existenzielle Druck macht einen nicht zu einem freundlichen Menschen.

In einer groben Skizze würde ich behauten, daß meist jene am angenehmsten und professionellsten sind, die ein passables Jahreseinkommen haben und deren Selbstbewußtsein von einer guten Balance zwischen den Fragen der Kunst und den Fragen des Geldes getragen ist. Gerade diese Leute zeigen sich oft auch respektvoller der Arbeit anderer gegenüber, als man es in der „Szene“ finden kann.

Ich mache nun seit etlichen Jahren konkrete Erfahrungen mit den Anforderungen an die Netzwerkfähigkeiten und Kooperationspotentiale Kulturschaffender in der Region. Das Hauptereignis ist dabei nach wie vor, was Herbert Nichols-Schweiger einmal so ausgedrückt hat: „Zwerge bekämpfen Zwerge“. Dieses innerhalb der „Szene“ herrschende Konkurrenzverhalten zu erörtern ist freilich tabuisiert. Um dieses Tabu zu befestigen, werden vor allem Leute aus Politik und Verwaltung seit Jahren zu immer massiveren Feindbildern hochstilisiert.

Was sich als „Steirische Initiativenszene“ versteht, hat sich während der letzten Jahren in erheblichen Teilen auf die Nähe eines inhaltlichen Offenbarungseides hinbewegt. Ich hab keine Ahnung, ob die weiteren Budgeteinbrüche bei öffentlichen Mitteln zu einer hilfreichen Bereinigung beitragen oder das ganze Metier ins Unglück stürzen werden.

Ich finde zur Zeit keine Hinweise darauf, daß dieses Metier eine „brancheninterne“ Verständigung zum Status quo voranbrächte. (Die steirische Theaterszene vielleicht ausgenommen.) Wie schon in vorigen Einträgen angedeutet, es könnten jetzt Beispiele an best practice, gemeinsame Arbeit an zielführenden Strategien und arbeitsteilige Vorgehensweise uns Boden sichern, wo uns Strukturen wegzubrechen drohen.

Henner-Fehr meint: „Arbeitsteiligkeit entsteht dann, wenn sich eine Branche weiterentwickelt.“ Haben wir das auf unserem Feld je erwogen, debattiert? Henner-Fehr schreibt an anderer Stelle: „Outsourcen wäre zwar sinnvoll, weil es die Produktivität erhöhen würde. Aber man müsste das mühsam erkämpfte Fördergeld in fremde Hände geben. Und das bringt man nicht über sein Herz.“

Ja, ich denke, diese Befürchtung ist sehr verbreitet, korrespondiert aber nicht mit der Praxis. Der erste, wuchtige Kasus liegt da schon einmal in der Tatsache, daß meine Arbeit quer durchs Jahr sicher zu drei Vierteln aus öffentlichen Geldern bezahlt wird. Was davon an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen gleich wieder an staatliche Einrichtungen zurückfließt, ist eklatant. Vom „mühsam erkämpfte Fördergeld“ geht also eine ganze Menge, soweit es meine Honorare betrifft, flott an andere Instanzen.

Manche Projekte sind nur machbar, wenn die Ressourcen mehrerer Initiativen zusammenfinden

In meiner kulturellen Praxis ist es ganz naheliegend, daß ich so manche Leistung, die ich selbst nicht erbringen kann, von Leuten zukaufe, deren Positionen und Projekte mir gefallen. Daraus ergibt sich unter anderem eine zusätzliche Stärkung jenes geistigen Klimas und kulturellen Möglichkeitsraumes, in denen mein eigenes Tun stattfindet und gelingt.

Das bedeutet in etlichen Fällen auch, ich lasse andere Kulturschaffende von meinen Ressourcen profitieren. Das Prinzip ist simpel. Was anderen gelingt, stärkt den Boden, auf dem auch ich existiere und weitermachen kann. Ich habe schon mindestens aus Gründen des Eigennutzes Interesse daran, daß sich Kolleginnen und Kollegen auf meinem Feld bewähren und stabil aufstellen können.

Was in meinen Kreisen immer wieder von „Konkurrenz“ geredet wird oder über konkretes Verhalten an „Konkurrenzangst“ ausgedrückt wird, halte ich für puren Blödsinn, der sich überdies empirisch nicht belegen läßt. Wann hätte ich je etwas nicht realisieren können, weil 10, 15 Kilometer weiter eine andere regionale Kulturinitiative reüssiert hat? Das ist einfach Quatsch.

Wir hätten in diesen Zeiten noch etliche Schritte weiter gehen können. Es wäre gut denkbar, sich innerhalb einer Region über Themenschwerpunkte, Arbeitsvorhaben und individuelle Bedarfslagen zu verständigen. Es wäre ebenso denkbar, sich über ein adäquates Konzept so auf den Weg zu machen, daß sich die individuellen Vorhaben mehrerer Initaitiven, zu denen man nichts an Autonomie aufgaben muß, komplementär entfalten und darüber auch beitragen, ganz individuelle Lücken/Defizite einzelner Initiativen abzuflachen.

Damit meine ich, ein angemessenes Kommunikationsverhalten plus eine kluge Planung, gewürdigt durch professionelle Umsetzung, könnten sogar in Zeiten sinkender Budgets dazu führen, daß einzelne Kulturinitiativen an Boden gewinnen und strukturell zulegen, also mehr Stabilität erreichen.

Die erste Übung zur grundsätzlichen Möglichkeit solcher Wege wäre vermutlich eine Verständigung über anstehende Vorhaben, kommende Themen und Projekte; also: Kommunikation.

— [den umbruch surfen] —

+) Christian Henner-Fehr
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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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