Wenn ich im vorigen Beitrag [link] betont habe, daß Kunst ebenso elitär sei wie jedes andere Fachgebiet, das Kompetenzen verlangt, die über schlichte Alltagsbewältigung hinausführen, dann wollte ich damit auch deutlich machen, daß Kunst keine Konsumartikel produziert.
Konsumartikel. Der Begriff handelt meist von Gütern, die über Massenproduktion zu Preisen kommen, durch die Massenkonsum möglich wird. (Oder ist es genau umgekehrt?) Das setzt auch in der Benutzung niedere Zugangsschwellen voraus.
Der Laptop, auf dem ich gerade diesen Text schreibe, ist insofern eine „Deppenmaschine“, als eine völlig aufgeblähte, mit Funktionen überladene Software einen Großteil jener Rechenkapazität und Maschinenleistung frißt, die inzwischen zum Glück recht preiswert geworden ist. Ganz anders, als der teure, vergleichsweise leistungsschwache Rechner, den ich mir in den frühen 1980er-Jahren gekauft hatte und der keine graphische Benutzeroberfläche hatte, sondern von der „Kommandoebene“ aus gehandhabt wurde, was die Kenntnis eines speziellen Vokabulars voeraussetzte.
Der gegenwärtige Terror an Voreinstellungen und Eigenmächtigkeiten der Maschine ist einer allgemeinen Benutzbarkeit geschuldet, die ein Minimum an Fachwissen verlangt.
Die „One-fits-all-Deppenmaschine“ muß möglichst jeder Dummheit beim Benutzen widerstehen und wird dadurch ihrerseits zu einer verdummenden Anordnung, weil sie einem vorspielt, man müsse von der Komplexität solcher Maschinensysteme nichts verstehen, um ihren Nutzen zu lukrieren.
Ich bezweifle sehr, daß es vorteilhaft ist, immer komplexere Systeme zu entwickeln und breiten Bevölkerungskreisen anzudienen, während Benutzerführungen entwickelt werden, die einem immer weniger Ahnung lassen, womit man es da eigentlich zu tun hat. Aber Massenkonsum ist eben kein philosophisches Unternehmen.
Ahnen Sie, wohin ich Sie gerade zu führen versuche? Die Befassung mit Kunst ist in den allermeisten Fällen ein Weg in tiefere Komplexität und damit fort von dem, was „jeder gleich versteht“ beziehungsweise alle Leute sofort nutzen können. Sie kennen vernmutlich das Gegenteil davon, wie es etwa die letzten 50 Jahre bei uns zum Massenstandard wurde.
Der „Couch-Kartoffel“ vor seinem Fernsehgerät hat keine Probleme, sofort zu erfassen, was ihn da erreicht und falls es einmal für Augenblicke klemmen sollte, zappt er unter den 100 bis 500 Programmangeboten weiter, damit irgend ein Kanal ausreichend Attraktion bei minimaler Irritation liefert.
Kunst kann solche Wege auch gehen, sie werden aber die Ausnahme bleiben und nach guten Gründen verlangen. Verfeinerte Wahrnehmung, unkonventionelle Denkweisen und die mitunter recht verwirrende Anwendungen ganz unterschiedlicher Codes halte ich für grundlegende Ausstattungen auf diesem Terrain. Es geht in der Kunst um nichttriviale Erzählweisen.
Es ght um die Suche im Widersprüchlichen, das Untersuchen von Verhältnissen zwischen Sinn und Unsinn, Grenzüberschreitungen, um Sicherheiten zu verlieren, und vieles mehr jenseits alltäglich nützlicher Strategien, die auf schnell greifbare Ergebnisse ausgerichtet sind.
Schnell greifbare Ergebnisse, um Alltagsangelegenheiten abzuwickeln, bringen keine Referenzpunkte, um künstlerische Verfahrensweisen zu vbewerten.
Ich habe im vorigen Teil [link] erwähnt: „Wir haben zu klären, welche Themen wir für relevant halten, wie wir sie a) in künstlerischer Praxis und b) in Formen der Kunstvermittlung bearbeiten wollen.“
Damit wollte ich deutlich machen, daß die Kunstproduktion nach anderen Bedingungen verlangt als die Kunstvermittlung. Damit wollte ich außerdem betonen, daß Sie einen Nutzen aus der Kunst nur dann lukrieren können, wenn sie in den einen Abschnitt investieren, um beim anderen ankommen zu können.
Damit wird auch deutlich, daß Sie der Sache schaden, wenn Sie keine Zeit für Prozesse und Entwicklungen zulassen. Ich will das mit einer Analogie aus der Wissenschaftswelt illustrieren.
Wenn Sie Grundlagenforschung gering schätzen, ignorieren, finanziell demontieren, dann wird Ihr Betrieb noch ein Weilchen laufen können, so lange sie von den alten Vorleistungen zehren können. Dann aber reißen Sie auf diesem Weg eine Lücke auf, die sehr schnell größer wird als irgendwelche Budgets sie über neue Leistungen zu schließen vermögen.
Wenn das geistige Klima einer Region zusammenbricht oder auch nur markant schwächelt, kommt die Stunde der Public Relations, die Stunde der Marktschreier und Werbetexter.
Sind verfeinertes Wahrnehmen und komplexeres Denken erst einmal aus der Mode gekommen, beginnen simplifizierte Bilder unsere Sicht zu überlagern. Spätestens dann darf mindestens die Wirtschaft Millionenbudgets in allerhand Coachings investieren, um ihr Personal wieder auf Niveaus zu bringen, die ein blühender Geschäftsgang verlangen würde.
Auch da werden einem natürlich die Marktschreier mit ihren Bauchläden an den Fersen kleben und einem allerhand Schund andienen. Die Kunst ist keine Antwort darauf, ist kein „Konkurrenzprodukt“ der Marktschreier und Falschmünzer. Sie ist ein „anderes Terrain“, auf dem ihren eigenen Aufgaben mit ihren eigenen Strategien nachgegangen wird.
Erst die Kompetenzen, welche aus der Arbeit auf jenem Terrain gewonnen werden, können im Gemeinwesen, so auch in der eigenständigen Regionalentwicklung, nutzbringend eingesetzt werden.
Nicht die Werke selbst, sondern die Erfahrungen, die man mit den Werken macht, egal ob schaffend oder rezipierend, sind von kommunalem und regionalem Nutzen, vorausgesetzt, es gibt entsprechende Projekte. Also erneut: Kunstproduktion und Kunstvermittlung sind zwei grundverschiedene Prozesse. Die regionale Verwertung solcher Zusammenhänge kann nicht beim ersten Prozeß ansetzen, sondern erst bei seinen Konsequenzen.
Wir Kunst- und Kulturschaffenden haben mit kommunalen und regionalen Kräften deren Begehrlichkeiten und unsere Ansprüche zu verhandeln. Ohne eine wechselseitige Kenntnis der jeweils anderen Anliegen, Bedürfnisse und Prioritäten wird das kaum gelingen.
Kulturpolitik muß demnach sein, was im Austausch der verschiedenen beteiligten Interessengruppen zur Sprache und zur Umsetzung kommt. Kulturpolitik kann nicht bloß sein, was von der etablierten Funktionärswelt ausgeht. Es kann folglich auch nicht bloß seitens der Kunst- und Kulturschaffenden eingefordert weiden. Erst wenn mehrere Interessengruppen eins Lebensraumes die Fragen konkreter kultureller Entwicklungen verhandeln, sehe ich Kulturpolitik stattfinden.
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