Im vorigen Eintrag [link] war die Frage gleichermaßen implizit und explizit auf dem Tisch: Was hat das Gemeinwesen davon, für Kunst und Kultur öffentliche Gelder aufzuwenden? (Völkstümlich: „Zu wos brauch ma des?“) So liegt bei uns die Anforderung, den Leistungsaustausch darzustellen und zu begründen.
Damit meine ich, wir können uns keine selbstreferenziellen Erklärungsmodelle leisten, wie sie bei Sekten üblich sind, wir müssen gegenüber anderen Metiers unsere kulturpolitischen und budgetären Ansprüche nachvollziehbar darlegen.
Ich war gerade in Wien, saß unterwegs in einem Kleinbus des Landes Steiermark, den ich unter anderem mit zwei Beamten aus dem Wirtschaftsbereich teilte. Einer von ihnen sagte in unserer Plauderei ebenso unverhüllt wie unmißverständlich, das nächste Doppelbudget der Steiermark werde ein „Tal der Tränen“.
Das erinnerte mich an März 2010. Wir waren gewarnt, es ist kein Geheimnis gewesen, was uns Ende 2010/Anfang 2011 an Kürzungen treffen werde. Das führte in meinem Metier aber, so weit ich mich erinnere, nicht dazu, daß wir uns gewappnet und strategisch vorbereitet hätten, der versprochenen Krise angemessen zu begegnen.
Kleiner Einschub:
Philosoph Erwin Fiala unterließ während des formellen Teils der Veranstaltung in Pischelsdorf jeglichen Kommentar mit dem Hinweis, er sei Professional, den man für seine Beiträge bezahlen müsse.
Ein wichtiger Akzent im Zusammenhang mit der Tatsache, daß wir heute eine aggressive Abwertung der Wissensarbeit erleben, wie wir das einst bei der Industriearbeit beobachten konnten, ohne in jüngerer Vergangenheit auf die Idee zu kommen, daß uns derlei auch betreffen könnte; noch dazu, wo der Bedarf an Content radikal gestiegen ist.
Fortsetzung:
Also erweitere ich meine „Reflexion über Pischelsdorf“ hier kurz um Bezüge zu dieser Ausfahrt nach Wien. Das paßt inhaltlich AUCH; weil ich in Pischelsdorf noch einige Überlegungen mit Philosoph Erwin Fiala debattiert hatte. Dabei gewannen zwei Teilthemen besonders scharfe Konturen. Das eine handelt vom Mangel an Trennschärfe zwischen Fragen der Kunst und Fragen der Kunstvermittlung.
Das andere handelt vom Mangel an Kenntnis der Entwicklungen eines/unseres Metiers, was etwa meint: Ich kann selbst bei bezahlten Kräften der steirischen Initiativenszene nicht voraussetzen, daß sie eine wenigstens kursorische Kenntnis der Entstehung und der wichtigsten Entwicklungsstufen dieses jungen soziokulturellen Phänomens haben.
Obwohl also diese Geschichte kaum weiter zurückverfolgbar ist als bis zum Ende der 1970er-Jahre, höre ich etwa von ausgewiesenen Funktionstragenden der Initiativenszene: „Tut mir leid, davon weiß ich gar nichts, dafür bin ich noch zu jung.“
Es ist nun etwas schwierig, einen kohärenten kulturpolitischen Diskurs zu führen, wenn mir der aktuelle Kontext unseres Metiers unklar ist, weil ich über seine inhaltliche Entwicklung zu wenig weiß. Aus so einer Position heraus bleibt es ferner problematisch, angemessene Vorstellungen zu entwickeln, die sich in kulturpolitische Streitgespräche einbringen ließen.
Aber zurück zum Stichwort „Tal der Tränen“, zu meiner Wien-Exkursion und den Denkanstößen, die ich von dort mitbekommen hab.
Ich war eingeladen worden, einen Debattenbeitrag zu „Kultur und die EU-Regionalpolitik: Praxis und Perspektiven“ einzubrigen. Wir fanden uns im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ein. Unmittelbarer Anlaß dazu war, daß Veronika Ratzenböck und das Team der österreichischen kulturdokumentation [link] einige ihrer Arbeitsergebnisse präsentierten.
Im Zentrum der Veranstaltung stand eine neue Studie, die unter anderem unsere Arbeit zum Gegenstand hat, aber eben auch genau die Zusammenhänge der impliziten Frage: „Wozu brauchen wir das?“ Es geht um die Studie „Der Kreativ-Motor für regionale Entwicklung. Kunst- und Kulturprojekte und die EU-Strukturförderung in Österreich“.
Die Studie kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden: [link]
Außerdem ging es um ein „Policy Handbook“, genauer: European agenda for culure – work plan for culture 2011-2014: Policy Handbook. Dieses Dokument ist hier downloadbar: [link]
Die Studie betont, was ich am eigenen Metier zu kritisieren habe, denn wir sind die Ersten, die an der Behebung eben jenes Defizites zu arbeiten hätten: „Die Bedeutung von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft für die Struktur- und Regionalentwicklung wird zwar immer stärker, aber noch zu wenig wahrgenommen.“
Mit dem Ensemble von Kategorien „Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“ komme ich gut zurecht. Wir haben deutlicher herauszuarbeiten, was dabei das Genre Kunst sei und wodurch es sich von den anderen Genres unterscheidet.
In der Studie heißt es zu diesen drei Genres/Metier: „Sie sind Motoren für die europäische wirtschaftliche Dynamik, weisen überdurchschnittliche Wachstumsquoten auf und fördern neben Kreativität, Innovation und Unternehmergeist auch die so genannten weichen Faktoren wie z. B. Lebensqualität, Wohlbefinden und kulturelle Vielfalt.“
Na, es wird uns nicht fad werden, regional zu klären, wo und genau womit wir solchen Zusammenhängen gewachsen sind und was genau das für die Region bedeutet…
— [Dokumentation] —
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