Wir haben bei kunst ost einen Arbeitsschwerpunkt, der den Bereichen Sozialgeschichte und Mobilitätsgeschichte gewidmet ist. Diesen Fokus betreut unser „Kuratorium für triviale Mythen“. In derlei Zusammenhängen liegt die zeitlich gut überschaubare Entwicklung von Untertanen der Feudalzeit zu Bürgerinnen und Bürgern einer völlig neu geordneten Massengesellschaft.
Die Untertanenbefreiung erfolgte formell 1848, die Monarchie endete 1919, der Beginn einer neuen Massenkultur läßt sich in unserem Lebensraum in den Jahren 1933/34 festmachen. Das herausragende Kräftespiel dieser Zeiten war die industrielle Revolution (und der Faschismus), dem dann zu unseren Lebzeiten eine elektronische Revolution folgte.
Von der Industriemoderne in die noch höchst unscharfen Zustände einer „Wissens-„ bzw. „Informationsgesellschaft“, das handelt in Summe von irritierenden Abläufen, die sich teils in einander verschränkt, teils gegen einander gewirkt haben. Das handelt von Umwälzungen, in denen ein begabter Keuschlerbub zum Fabrikanten aufsteigen konnte. Das versprach in der Nazi-Ära einen kommenden Wohlstand, an dem alle teilhaben sollten; und der „Generalfetisch“ für dieses Heilsversprechen wurde das Automobil.
In der Folge gelang in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur eine umfassende Massenmotorisierung, sondern auch eine Dimension der individuellen Freiheit und des Wohlstandes, wie beides zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte für diese Gesellschaft völlig unbekannt gewesen ist.
Inzwischen erleben wir allerdings ökologische und ökonomische Probleme durch die Massenmotorisierung. Wir erleben, daß Freiheit eventuell gegen Sicherheit eingetauscht werden möchte. Wir wußten, daß einst Handwerksarbeit in der aufkommenden Industriearbeit abgewertet wurde. Wir erlebten, daß auf unserem Weg zur „Wissensgesellschaft“ die Industriearbeit abgewertet wurde.
Nun erfahren wir längst, höchst irritierend, daß auch Wissensarbeit abgewertet wird; der Bedarf an Content steigt zwar enorm, aber die Preise für die dazu nötige Arbeit rutschen in den Keller.
Wenn ich noch kurz anmerken darf, daß wir seit Jahren von einer neuen Landflucht wissen, die zunimmt, haben wir als Kulturinitiative abseits des Landeszentrums gute Gründe, sehr genau zu überlegen, welche Aufgaben und Anforderungen gerade auf uns zukommen.
Mit dem heutigen April-Festival [link] haben wir einen Abschnitt erreicht, in dem ausreichend neue Klarheiten bestehen, wie es prinzipiell weitergehen soll und was aus der Krisensituation der letzten Jahren an Schlüssen zu ziehen war.
Mit „Krise“ meine ich hier die Summe der Auswirkungen, welche sich auf kommunaler Ebene gezeigt haben, nachdem 2008/2009 ein ganzes Ensemble von Vertrauens-, Banken- und sonstigen Krisen die Welt umrundet hat.
Wo das aktuell einigermaßen abgefangen und kompensiert werden konnte, droht uns nun regional neue Unruhe, weil eine steirische Verwaltungsreform, die mit 31. 12. 2014 auf den harten Punkt gekommen sein wird, die kommunalen Kräfte zunehmend nervös macht und bestehende Regionalstrukturen erschüttert.
Ich habe hier keine Alarmrufe abzusetzen, denn wer heute noch nicht alarmiert ist, wird kaum verstehen, was mich und was uns bei kunst ost gerade beschäftigt. Ich habe hier schon von Ergebnissen der Reflexion zu reden und was wir daraus für Schlüsse ziehen, um eine adäquate Praxis des kulturellen Engagements daraus zu entwickeln.
• Mittwoch, 2. Mai 2012
19:00 Uhr, Input & Arbeitsgespräch:
Vision 2050 („Talking Communities“)
Ein Themenabend mit Michael Narodoslawski (TU Graz)
Einführung: Iris Absenger-Helmli („Energie-Region Weiz-Gleisdorf“)
werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur
im Pfarrzentrum Gleisdorf
Franz Bloder-Gasse 3, 8200 Gleisdorf [link]