Unter meinen Notizen findet sich folgende Passage: “In einer Rezession konsolidieren sich die Starken.” Das sagte der Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf in einem unserer Gespräche. Als Unternehmensberater und Wirtschaftstreuhänder wird er damit wohl kein Bonmot fabriziert haben, sondern einen Hinweis auf den konkreten Lauf der Dinge. (Zu Wolf und styrian contemporary siehe: [link]!)
Ich schließe daraus: Die Konsolidierung der Starken geht in einer Rezession zwangsläufig auf Kosten der Schwachen. Sollen wir daher versuchen, uns auf die Seite der Starken zu bringen? Das hieße bloß, diesen unverschämten Modus zu bestätigen.
Ich würde bevorzugen, daß wir uns überlegen, wie der Modus zu ändern wäre. Ich denke, in regionaler Dimension ist das realistisch und machbar. Es dürften dazu bloß momentan gängige Protest-Posen nicht ausreichen. Ich meine, was unter dem Stichwort „BürgerInnenbeteiligung“ zur Debatte stünde, müßte beim Wort genommen werden: als BETEILIGUNG.
Derlei Aufraffen, derlei Eingreifen, dieses Hineingehen in die Agenda eines Gemeinwesens ist zugleich auch das Ende jeder wie immer gezimmerten Unschuld. Dann sind es nämlich nicht mehr „die Anderen“, die dies oder das zu verantworten haben, dann ist man selbst mit im Boot jener, die Verantwortung tragen.
Vielleicht höre ich deshalb an so manchen Ecken Protestgeschrei, dem kein eigenes Handeln folgen will. Gerade im Kulturbereich ist das momentan sehr populär. Es kursieren endlose Listen der Vorhaltungen an Politik und Verwaltung. Aber wo ist der konsequenten und vor allem öffentliche kulturpolitische Diskurs? Wo finde ich anregende Beispiele einer Best Practice, die genau NICHT einfach nur das reproduziert, was wir schon in den 1970er- und 80er-Jahren entwickelt haben? Was weist konkret in die nahe Zukunft?
In diesen Belangen mangelt es erheblich. Wenigstens drei Viertel von dem, was ich, wenn ich die Steiermark im Blickfeld behalte, in derlei Fragen momentan zu lesen bekomme, handelt von einer etwas gespenstischen Option: Der Staat möge für dies und das, aber speziell möglichst für alles aufkommen. Das bedeutet, polemisch verkürzt, hier ruft ein ganzes Metier nach gut hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat. Und das im Namen der Freiheit der Kunst.
Ich hätte es gerne leichter, denn meine Mühen um ein adäquates Jahreseinkommen sind in den letzten Jahren immer mehr geworden, damit ich nur gering unter das absacke, was ich vor Jahren verdienen konnte. Das ist ein sehr anstrengender Weg, auf dem ich inzwischen laufend Grenzen meiner Belastbarkeit erfahre. Aber das brächte mich nicht auf die beunruhigende Idee, mir hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat zu wünschen.
Das bedeutet freilich, falls mir mein gegenwärtiger Marktwert als Kunstschaffender nicht erlaubt, auf dem Kunstmarkt ausreichend Geld zu lukrieren, und das trifft vermutlich auf weit mehr als drei Viertel Österreichs Kunstschaffender zu, brauchen wir kulturpolitische und künstlerische Strategien, die der Option „hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat“ etwas Konkretes gegenüberstellen.
Wenn ich das so hinschreibe, meint es freilich, daß ich nicht bloß träume, sondern konkret an solchen Strategien arbeite und daß ich erprobe, was mir bisher eingefallen ist. Ich hab hier schon mehrfach angedeutet: Kulturpolitik ist NICHT, was Funktionstragende der Politik generieren, sondern was aus dem Kräftespiel zwischen ihnen und uns und anderen Leuten entsteht. DAS ist POLITIK.
Diese Ansicht verlangt unausweichlich, auch die eigene Position als eine aktive zu entwickeln, in der Konzept und Initiative keine Fremdwörter sind.
Es war in meiner Gegend überaus anstrengend, die letzten Jahre ökonomisch zu bewältigen. Ich wäre am Rande der Verzweiflung, würden sich jetzt nicht positive Tendenzen abzeichnen, die leichteres Fahrwasser versprechen.
Aber ich schätze die Erfahrungen, daß im regionalen Kulturgeschehen der Fokus ganz eindeutig auf die zivilgesellschaftliche Initiative und Verantwortung gestellt ist. Das bedeutet, WIR haben entworfen und erprobt, was kulturpolitische Optionen für die nahe Zukunft sind. Die Regionalpolitik zeigt, daß sie diese Arbeit nicht ignorieren wird.
Es gibt ein Datum, VOR dem wir nichts zu lachen haben werden und NACH dem auch anstrengende Passagen winken. Am 31.12.2014 endet formell das, was wir von der Verwaltung her bisher als „die Steiermark“ kannten. Die aktuelle Verwaltungsreform wird dazu führen, daß dann unausweichlich neue Gemeindegrenzen gezogen werden und alle Erlässe neu erlassen werden müssen etc.
Das soll mit den Wahlen im März 2015 abgeschlossen sein. Bedenkt man, wie viel Widerstand diese Aussicht schon jetzt in den vor allem kleinen Gemeinden auslöst, müssen wir uns auf eine gewaltige Konfliktlage einstellen. (Siehe: „Unruhe in der Kleinregion„!)
Die Erfahrungen der letzten Jahre belegen: Wird es den kommunalen Kräften zu eng, geht als allererstes die Kulturpolitik über Bord, denn wir haben keinen breiten gesellschaftlichen Konsens, daß das ein Thema von hoher Priorität sei. Es wird also Zeit, daß wir uns für das wappnen, was absehbar ist.
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