Ich bin freischaffender Künstler, also ein EinPersonen-Unternehmen, kurz: EPU. Damit gehöre ich einer bedeutenden Spezies der österreichischen Wirtschaft an. Wir sind nämlich sehr viele. Die Wirtschaftskammer hat gerade wieder gezählt. Einzelunternehmen und GmbHs (gewerbliche Wirtschaft, ohne geringfügig Beschäftigte):
+) EPU in Österreich (absolut): 238.320
+) EPU in Österreich (Anteil): 55,6%.
Wir machen also gut die Hälfte heimischer Betriebe aus. [Quelle]
Mit meinen 56 Jahren liege ich deutlich über dem Durchchnittsalter. Der Frauenanteil scheint sich der Hälfte anzunähern:
EPU-Durchschnittsalter: 43,9 Jahre
EPU-Frauenanteil: 43,4%
Ich bin einer von Tausenden, die für Steuern und Sozialversicherung selbst aufkommen, wobei ich als Künstler einen staatlichen Zuschuß von 130, Euro/Monat erhalte; also nicht ich, dieses Geld geht direkt an die SVA.
Viele Leute meines Metiers sind Angestellte, denn Freischaffende machen auf Österreichs Kunstfeld den geringsten Teil aus. Angestellte dürfen sich Arbeits- und Lohnnebenkosten mit ihrem Betrieb oder ihrer Behörde teilen. Meinsgleichen tragen das weitgehend alleine. Ein „EU-Vergleich der Arbeitskosten und Lohnnebenkosten für das Jahr 2010“ mag dabei ganz interessant sein: [link]
Nun sind Leute wie ich keineswegs unwillig, ihren Teil zum Gemeinwesen beizutragen. Aber Faktum ist, daß der MODUS, den uns die Politik bezüglich Sozialversicherung auferlegt hat, inzwischen als KONKURSRISKO Nr. 1 dieses Milieus gilt. Das heißt, nicht die nötige Versicherungsabgabe an sich ist unser Problem, sondern die Berechnungs-Modalitäten erweisen sich mehr und mehr als ruinös.
Diesem Umstand, nein: Mißstand, widmet sich nun schon einige Zeit eine Interessensgruppe, welche unter dem Namen „Amici delle SVA“ auftritt: [link] Dazu tut sich auch bei Facebook laufend was: [link]
Sehr impulsgebend war in der Sache bisher außerdem das „Forum zur Förderung der Selbständigkeit“: [link]
Wir haben uns hier nicht mit hausgemachten Problemen eingedeckt. Im „Kurier“ war eben zu lesen:
>>In der SVA-Chefetage heißt es, man sei ja selbst unglücklich mit der Lage. Aber man dürfe von der Vorgabe des Gesetzgebers nicht abweichen, sagt Direktor Peter McDonald. Im Gegensatz zur Finanz hat die SVA kaum Spielraum für Kulanz: Sie muss qua Gesetz eintreiben.<< [Quelle]
Die Problemlage ist also bekannt und keineswegs ein kleiner „Betriebsunfall“, den noch niemand bemerkt hätte:
>>Die SVA sieht die Probleme, sieht sich aber schuldlos. Nur: Wo ist dann der Aufschrei gegen die Belastungen im Sparpaket, wo der Kampf für die Klienten?“ McDonald: „Ein Aufschrei hilft weniger als Überzeugungsarbeit.“ Aber die leistet eben niemand ernsthaft. Bis auf Weiteres gilt also der Befund eines SVA-Opfers: „Wir sind die Lücke im System.“<<
Hier also ein herzliches DANKE an die Politik, daß wir mit diesem unausgegorenen Reglement permanent unter Druck stehen müssen, was seinerseits mittel- bis langfristig Schäden und daher Kosten verursacht. Schäden am Geschäft und Schäden an den Menschen, welche diese Geschäfte betreiben.
Man möchte den Verantwortlichen zurufen:
Reicht es Euch noch nicht, was Österreichs Volkswirtschaft an Burn out, Mobbing, Bildungsdefiziten etc. verdauen muß? Ist es so schwer, uns engagierten Leuten adäquate Rahmenbedingungen zu bieten?
Hans Rauscher notierte eben im „Standard“ zur Sache:
>>Die Wirtschaftskammer tut ein bisserl was. Aber die soziale und politische Bedeutung des Wandels zur Kleinselbstständigkeit haben sie alle nicht begriffen.<< [Quelle]
An all dem ist AUCH interessant, daß in den aktuellen (öffentlichen) Diskursen Kunstschaffende noch kaum genannt, einbezogen werden, sich aber auch selbst nur schütter zu Wort melden. Es gibt also einbe Menge Handlungs- und Klärungsbedarf.
>>“Eigentlich müssten bei allen Verantwortlichen die Alarmglocken schrillen. Wenn eine Sozialversicherung fast 18 Prozent ihrer Versicherten mahnt und 9 Prozent aufgrund fehlender Beitragszahlungen exekutierten, dann läuft ganz offensichtlich etwas grundlegend falsch“, zeigt sich Ruperta Lichtenecker, Wirtschaftssprecherin der Grünen, besorgt über die Situation von Ein-Personen UnternehmerInnen (EPU) und KleinstunternehmerInnen in Österreich.<< [Quelle]
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