Ein paar Tage keine Neuigkeiten, eine Panne, die Website kurz vom Netz weg, schon ist es auch das Publikum… weg. Klar? Klar! Naja, keine große Sache, nichts, was irreparabel wäre. Aber es fehlt dadurch eben ein praktisches Bindeglied zwischen einer räumlich verstreuten Community.
Wo andere Kulturinitiativen fixe Häuser bevorzugen, an die sie ihr Publikum binden, ist „kunst ost“ eine hauslose Initiative. Das bedeutet, wir residieren in einem KOMMUNIKATIONSRAUM. Und dafür ist die Webpräsenz ein wichtiges Fundament.
Ich hab freilich über die Jahre keinen Beleg gefunden, daß die Website ein wichtiger Diskursraum wäre. Direkter Feedback ist die rare Ausnahme. Dazu ein amüsantes Beispiel. Zu einem Zeitpunkt, da hier schon rund 300 Beiträge publiziert waren, erreichte mich folgende Botschaft:
>>hallo krusche, ich bin vielleicht ein pedant, aber, wenn du konsequent die kleinschrift verwenden willst dann solltest du “letzten 20 Jahre” vermeiden. lg bernhard<<
Das bezog sich also auf einen einzelnen Tippfehler in „die erfahrung von weng“ [link] Angesichts einer Inhaltsfülle, die frei zugänglich ist und zur Debatte steht, bloß so eine Petitesse zurückzumelden, das illustriert auf verblüffende Art den Zustand unsere kulturellen Lebens. Da haben wir also noch viel Arbeit vor uns.
Gelegentlich blitzt im Lauf der Dinge ein interessantes Posting auf, viel tut sich auf die Art aber nicht. Am lebhaftesten waren hier bisher Leute, die ich schließlich blockieren mußte, weil sich schnell herausstellte, daß sie Revisionisten sind, die ganz ausdrücklich serbische Kriegsverbrechen in Bosnien-Hercegovina leugnen: [link]
An diesen Leuten war nicht nur erstaunlich, welche Ansichten sie vertraten, sondern auch ihr Versuch, Webspace und Publikum, also im Web etablierte Öffentlichkeit, zu okkupieren, sozusagen bei „kunst ost“ auf mögliche Trittbretter zu springen.
Ansonsten neigen Kunst- und Kulturschaffende überwiegend nicht zu konsequenter Netzpräsenz sowie zu öffentlichen Diskursen ihrer Anliegen und Angelegenheiten. Eines der betrüblichsten Beispiele ist jene Community, die seit etwa Sommer 2011 Zugriff auf das neu gestaltete Grazer „Künstlerhaus“ fordert, sich aber seit Monaten nur über einen weitgehend toten Briefkasten der Öffentlichkeit mitteilt: [link]
Andrerseits kann man bei uns leicht erleben, daß ein Andersdenken gegenüber den vorherrschenden Ansichten einer Community im Web postwendend als undemokratisch gedeutet und entsprechend geahndet wird. Da waren meine jüngsten Erfahrungen in einer Kontroverse mit dem Filmemacher Heinz Trenczak sehr aufschlußreich; der offene und öffentliche Meinungsaustausch gipfelte in der Unterstellung „polizistischen“ Verhaltens und dem Aviso an meinen Herausgeber, er werde mit rechtlichen Schritten zu rechnen haben; siehe „Lizenz zum Zetern“: [link]
Es ist also die Webpräsenz Kulturschaffender bei uns nicht primär das Erschließen eines zusätzlichen Aktionsraumes, in dem Telepräsenz und Telekommunikation unseren realen Handlungsspielraum erweitern würden. Websites werden doch meist nur als „Schaufenster“ und „Ablagesysteme“ genutzt, viele Informationen landen dort im Modus „fire and forget“.
In „Winden und wimmern“ habe ich skizziert, welche kulturpolitische Arbeit in der Steiermark schon geleistet, verschriftlicht und sogar der Behörde übergeben wurde, Arbeit, die ja auch in Dokumenten auf diversen Websites verfügbar ist, während wesentliche Diskurslinien der Gegenwart nicht einmal an die Höher dieser Inhalte herankommen: [link]
Das bedeutet praktisch, diese Arbeitspapiere sind zwar im Web abgelegt, wurden aber in meiner Branche eher nicht rezipiert — „fire and forget“ –, weshalb anscheinend auch viele kulturpolitischen Kontroversen inhaltlich stets bei annähernd Null beginnen dürfen.
Wir sind also in Fragen einer lebhaften Netzkultur, die Medienzugänge auf der Höhe der Zeit nutzen könnte, noch nicht ganz in dem Bereich angelangt, den der kulturpolitische und strukturelle Status quo des Landes nahelegen würde. Daher meine Frage: Machen wir was?
— [netzkultur: der überblick] —