„es fehlt ein begriff davon…“
Der öffentliche Diskurs zu Fragen der Kunst und der Kulturpolitik wird merklich lebhafter. Eine aktuelle Umfrage in der „Kleinen Zeitung“ hat mir zum Beispiel dieses bemerkenswerte Statement von Autor Johannes Schrettele in die Hände gespielt:
„es fehlt ein begriff davon, was und wofür kunst in einem gemeinwesen sein soll, weil ein begriff davon fehlt, was ein gemeinwesen, was öffentliche räume überhaupt ausmacht, außer tourismus und konsumangebote. dadurch fehlt auch ein verständnis dafür, dass es kunstproduzentInnen mit speziellen kompetenzen, räume und diskurse zu produzieren, gibt, die beamtInnen und politikerInnen naturgemäß nicht haben. mittel und möglichkeiten müssten wesentlich direkter zu diesen produzentInnen gehen, politik von politikerInnen gemacht werden, die sich wirklich dafür interessieren.“ [Quelle]
Ich stimme diesem Befund zu. Wenn wir keine klaren Begriffe habe, können wir aktuelle Anliegen nicht verhandeln, wir können nicht einmal streiten. Nötige Prozesse der Begriffsbestimmungen werden wohl primär von den Kunstschaffenden selbst ausgehen müssen. Es sollte kein Problem sein, die Ergebnisse solcher Prozesse dann auch bei Politik und Verwaltung ankommen zu lassen.
Die letzten Jahre haben laufend bestätigt: Wenn WIR (Kunstschaffende) nicht klären, was Kunst sei, werden das Politik und Wirtschaft gerne für uns erledigen.
Die Kulturschaffende Edith Draxl betont, es sei „die Vermischung von sozialen und inhaltlichen Kriterien unproduktiv für die Entwicklung der Kunst. Es gibt zu wenig Wissen um aktuelle künstlerische Entwicklungen, daher wird öfters provinziell gedacht und falsch gewichtet.“ Ein wichtiger Aspekt, denn Sozialarbeit ist mit anderen Aufgaben und Zielen ausgestattet als Kulturarbeit, auch wenn es natürlich Schnittpunkte gibt. Und die Regeln der Kunst sind wiederum ganz anders angelegt.
Kulturvermittler Werner Schrempf betont „Gezielte Unterstützung von Kooperationen, Professionalisierungs- und Internationalisierungsprozessen.“ Das muß freilich auch von den „primären „ Akteurinnen und Akteuren gewollt und angestrebt werden. Schrempf ferner: „Stärkung erfolgreicher und zukunftsweisender Initiativen, begleitet durch den Auftrag, sich gemeinsam mit der regionalen Szene zu entwickeln. Nutzung von Synergieeffekten versus Kategorisierung in ‚groß und klein’ oder ‚frei und etabliert’“.
Ausgezeichnet! Zumal die aktuelle Nomenklatur ohnehin in den Ramschladen gehört, weil mit diesen Termini keine zügige Verständigung mehr möglich ist. „Hochkultur“ versus… was eigentlich? Und „Szene“. Und dies und das. Trübe Kategorien, die neue Klärung darüber vertragen könnten, was womit gemeint ist und was selbst nach Revision nichtssagend bleibt.
Also wieder rüber zu Schrettele: „es fehlt ein begriff davon,…“ Und bitte nicht vergessen! Es wäre unter anderem zwischen Gegenwartskunst und Voluntary Arts zu unterscheiden. Kunsthandwerk und ambitionierte Basteleien sind auch etwas anders. Um Draxl zu wiederholen: „die Vermischung von sozialen und inhaltlichen Kriterien unproduktiv…“
Was sind also Kategorien der Kunst, was soziale Agenda, was sind wirtschaftliche Fragen und was ist Sache des Tourismus-Büros Ihres Vertrauens? Es müssen wahrlich nicht alle Widersprüche eliminiert werden, um zu interessanten Einsichten zu kommen. Im Gegenteil, das Widersprüchliche ist anregend. Aber wer in der Sache Parteienstellung beansprucht, sollte seine oder ihre Gründe halbwegs kohärent vorbringen können.
Und bitte auf jeden Fall mehr davon in den öffentliche Diskursen!
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