Boulevardisierung des Kunstbetriebes?
Eine Artikelserie in der „Kleinen Zeitung“ bietet zum Auftakt ein Interview mit Kulturlandesrat Christian Buchmann. Die ersten vier Fragen lassen erahnen, auf welchem Niveau der kulturpolitische Diskurs in der Steiermark angelangt ist:
1) „Bei einer Podiumsdiskussion über die schöne Kunst und das schnöde Geld sagte Kurator Peter Weibel kürzlich auf die Frage, was sich denn ändern solle: ‚Der Buchmann muss weg!’ Und aus dem Saal echote es: ‚Ja, der Buchmann muss weg!!!’ Was haben Sie falsch gemacht?“
2) „Nach besagter Diskussion hörte man von den Leuten die Kritik, dass Ihnen Empathie und Leidenschaft für die Kultur und die Kulturschaffenden völlig abgehe.“
3) „Es heißt, Sie hätten eine geradezu körperliche Abneigung gegenüber Kulturleuten.“
4) „Ist Ihre Klientel schwierig oder sind Sie schwierig?“
Da wird mir ja schlecht! Quelle: [link]
Ich halte Michael Tschida für einen seriösen und konzentrierten Journalisten. Wie ist dann aber so eine Story zu erklären? Und wie viele Jahre ist es wohl her, daß Josef Haslinger seiner Kritik einer „Politik der Gefühle“ ein ganzes Buch gewidmet hat? (Es war 1987!) Nebenbei: Warum hängen sich neuerdings auffallend viele Leute meines Metiers an die Rockschöße von Peter Weibel?
Ich halte das saloppe Verteilen psychologischer Befunde für sehr problematisch. Was ich hier lese, ist nicht einfach polemisch, es lotet einen psychischen Zustand aus, der als irgendwie schadhaft angedeutet wird. Derlei Tendenzen sind völlig unakzeptabel und ich halte es für würdelos, solchen Diskurs-Kuriositäten zu applaudieren.
Wir sollten jene Beispiele an Verfahrensweisen aus dem 20. Jahrhundert kennen, die Kunstschaffende mit der Unterstellung psychischer Devianz bis Pathologie in Anstalten oder Gräber geschafft haben. Der Hitlerismus wie der Stalinismus sind reich an einschlägigen Beispielen. Wir können doch nun das gleiche Mittel nicht auf Opponenten anwenden.
Kulturpolitische Diskurse in solchem Kielwasser, wenn auch vergleichsweise in der Untergriffigkeit homöopathisch verdünnt, dürften nicht in Frage kommen und diskreditieren außerdem jede klare inhaltliche Position. Wenn also ein Kulturpolitiker zur Debatte stehen muß, dann geht das eigentlich nur über a) fundierte Sachargumente und b) geistreiche Polemik, doch keinesfalls, indem die leibliche oder psychische Integrität der Person angegriffen wird.
Wer den Lauf des steirischen Kulturbetriebes seit etwa März 2010 verfolgt hat, da völlig unübersehbar geworden war, daß erhebliche Budgetkürzungen kommen werden, hat auch beobachten können, wie sich das aufbaute, nein, aufbauschte, was ich eben auf „infograz“ als „Revolution in Hauspatschen“ beschrieben hab, als eine Lampenputzerei, einen „Aufstand im Sitzen“: [link]
Ich bin sehr verärgert, daß sich in meinem Milieu solche Spießermanieren breit machen konnten, die vor allem einmal dem Boulevard in die Hände arbeiten. Daß wir auf solche Art unsere eigenen Fundamente beschädigen, scheint vielen gar nicht aufzufallen.
Ist eigentlich bemerkt worden, wie ein anderer Artikel in der „Kleinen Zeitung“ zu einem Kommentar geführt hat, der als exemplarisch gelten darf? Da qualifizierte ein petergruber1 den ganzen Berufsstand der Kunstschaffenden als ein Feld von „durchgeknallten Selbstverwirklichern“, denen Gelder gestrichen werden sollten, damit sie einmal „wirklich arbeiten“? [link]
Auch hier fällt auf, daß vor allem einmal die psychische Integrität der Kritisierten in Frage gestellt wird. Dazu wird eine räuberische Haltung unterstellt, die sich auf ein Nichts gründet, für das die Gesellschaft abgezockt werde. Ergänzend und zur Illustration noch einige Zitate von „krone.at“:
“Was ist Kunst?“ „in einem runden raum in die ecke kacken“ / „Die Kunst der Fäkal- und anderen ‚Künstlern’, die Du beschreibst besteht in meinen Augen lediglich darin, eine finanzstarke Lobby (aus Steuergeldern finanziert, versteht sich) zu haben und dies weidlich auszunützen“ / „In diesem Bezug wäre es interessant zu erfahren WIEVIEL Steuergeld da so ins Klo gespühlt wird…“
Slogans, Phrasen, aber auch Herabwürdigungen, Beschimpfungen… es weist nichts darauf hin, daß solche Mittel die Anliegen Kunstschaffender voranbringen könnten. Wenn solche Beiträge Platz greifen können, dürfen, muß ich annehmen, daß in weiten Bereichen meines Metiers die Ambition, um kulturpolitisches Neuland zu ringen, aufgegeben wurde.
Sachliche Kompetenz, stichhaltige Argumente, meinethalben ergänzt um geistreiche Polemik, dazu dürfte es meiner Einschätzung nach keine Alternativen geben.
[Die Debatte: Übersicht]
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