Ich darf kurz daran erinnern, daß ich den Begriff „Politik“ auf kulturgeschichtliche Art deute. Ursprünglich wurde darunter ein Wechselspiel zwischen „Polis“ und „Politiké“ verstanden, also (in heutiger Sprachregelung) zwischen Gemeinwesen und der Welt Funktionstragender.
Das war bloß in der Antike auf beiden Seiten eine gebildete und wohlhabende Minorität gegenüber einer Sklavengesellschaft. Heute sind wir ALLE zur Partizipation eingeladen, eigentlich: gefordert.
Zu diesem Verständnis von einem Wechselspiel zwischen Gemeinwesen und der Welt Funktionstragender bewegen wir uns aktuell ja, wenn wir aus den Gemeindestuben den Ruf nach BürgerInnenbeteiligung vernehmen, wenn Regionalentwicklung sich vor allem auch „bottom up“ ereignen soll. Regional bearbeiten wir so etwas zum Beispiel gerade im Themenbereich „Vision 2050“: [link]
In der allgemeinen Wahrnehmung und in gängiger Berichterstattung sind Kunstveranstaltungen, vorzugsweise Ausstellungen, vor allem als gesellschaftliche Ereignisse betont; und darin wiederum als „Präsentationsfläche“ für die Lokalpolitik. Das ist nicht an jedem Ort so, aber es ist ein dominantes Modell.
Damit offenbart sich dieser Modus als ein Kommunikationsmodell, das vor allem etablierten Deutungseliten zuarbeitet. Vom alten Hierarchieverständnis, das in regionalen Ortschaften Bürgermeister, Pfarrer, Arzt und Lehrer hervorhob, ist hauptsächlich das (lokal-) politische Feld als zelebrierbar geblieben. Dabei drängt sich im Extremfall alles ins Blickfeld, was einen Anspruch auf erhöhte Wahrnehmung durch die Bevölkerung pflegt. Das inkludiert gelegentlich sogar einen „Bürgermeister außer Dienst“, also jemanden, der genau NICHT Bürgermeister ist und demnach in solchem Zusammenhang keiner Erwähnung wert.
Ich gebe ein konkretes Beispiel der jüngeren Vergangenheit: Am 25.11.2011 hieß es in der„Woche“ von Hartberg: „Ausstellung Daniela Riedl im 44QM“ [Quelle] Der Text hat 1.284 Zeichen, Leerzeichen eingerechnet. Davon gehen 342 Zeichen, also rund ein Viertel des Textes, an die Aufzählung von Orts-Honoratioren, die ja nicht Thema des Abends und der Ausstellung sind:
>>Anlässlich der Vernissage konnte Kulturstadtrat Ludwig Robitschko neben Bürgermeister Karl Pack auch Bürgermeister außer Dienst Manfred Schlögl, Direktor Friedrich Polzhofer, die Leiterin des Kulturreferates Rita Schreiner, die Betreuerin des der Galerie 44QM Elisabeth Ringhofer sowie die Gemeinderäte Herwig Matajka und Heinz Damm begrüßen.<<
Eine derart ausufernde Okkupation des Raumes in öffentlicher Berichterstattung durch Honoratioren ist unakzeptabel, auch wenn leicht zu begreifen bleibt, daß Politik und Verwaltung mit den Ergebnissen ihrer Bemühungen natürlich öffentlich wahrgenommen werden möchten.
Ich mag es so sehen, daß hier Konventionen walten, Gewohnheiten, die Jahre und Jahrzehnte ohne Einwand geblieben sind. Eine zukunftsorientierte Kulturpolitik sollte auf solche Inszenierungen verzichten. Leute aus der Welt Funktionstragender sollten ihre eigene Rolle ernster nehmen und angemessen entwerfen, sollten auch die Rollen Kunstschaffender ernster nehmen und sie nicht auf die Ebene soziokultureller Transportmittel herunterstufen. In diesem Zusammenhang müßte wohl auch bei der Berichterstattung etwas mehr Orientierung an Inhalten gefordert werden. (Selbstredend, daß sich auch Kunstschaffende nicht den alten Formationen anbiedern sollten.)
In so einer zeitgemäßeren Ausrichtung spricht ja nichts dagegen, sich bei Eröffnungen und Präsentationen das Feld der Sichtbarkeit mit lokalen Funktionstragenden zu teilen. Da dieses Feld nicht grenzenlos ist, sondern eher beengt, eine knappe Ressource, vor allem auch in der Berichterstattung, wäre vielleicht genauer zwischen Politik und Verwaltung zu trennen.
Regionaler Spitzenreiter solcher Unschärfe ist sicher der Kulturbeauftragte G. K., also ein Angestellter, kein Politiker. Blättert man in den Zeitschriften eines Jahrganges, wird man feststellen, daß er sich permanent für die Fotos zurechtstellt, die von Kunstveranstaltungen künden, welche er bearbeitet hat. Seine markanteste Aktion der jüngeren Vergangenheit war ein Foto, auf dem er zu einer Ausstellung ein Bild des Malers in Händen hält, sich so fotografieren und ins Blatt rücken ließ, während der Maler selbst abwesend ist.
Rechnen wir es einmal auf Promi-Ebene hoch, damit deutlich wird, was ich meine. Nikolaus Harnoncourt dirigiert ein Konzert. Nicht der Bürgermeister, nicht der Kulturreferent, sondern ein Angestellter der Stadt, mit der Organisation betraut, läßt sich für die Berichterstattung mit Harnoncourt, ja sogar auch ohne Harnoncourt fotografieren. Das ist irgendwie nicht sehr einleuchtend.
Wir haben also einige Arbeit vor uns, um diversen Rollen und deren Verhältnis zu einander zu klären, um mögliche Neuordnungen solcher Verhältnisse zu erproben.