Das Jahr war für Kulturschaffende jenseits des Landeszentrums insofern sehr problematisch, als es hier keine ortsübergreifende Kulturpolitik gibt, an die oder gegen die sich jemand wenden könnte. Es gibt auch keinen breiteren gesellschaftlichen Grundkonsens pro Gegenwartskunst, der sich etwa, wie in Graz, in konkreten Budgets ausdrücken würde.
Wir sind also hier darauf angewiesen, völlig andere Wege zu finden, wie sich der Gegenwartskunst Terrain sichern läßt. Kulturwissenschafter Günther Marchner hat einen zentralen Aspekt so formuliert:
>>Zeitgenössische Kunst und Kultur wird vorrangig durch öffentliche Mittel finanziert. Dies ist vielfältig begründbar, da es ja um die Finanzierung eines Bereiches geht, der nicht mehrheitsfähig, populär und somit in den meisten Fällen nicht kommerzialisierbar ist. Diese Begründung für die öffentliche Finanzierung von nicht massentauglicher zeitgenössischer Kunst und Kultur beruht jedoch auf einem politischem Verständnis, welches zunehmend an Boden verliert anstatt breitere Schichten zu erreichen.<<
Diese Passage entstammt einem vorerst noch internen Arbeitspapier unserer „Kulturspange“: [link] Wie verhalten sich nun Verhältnisse und Budgetierungen in Zentren und in deren Peripherien zu einander? Das wissen wir zwar, doch es ist selbst in der sogenannten „Initiativenszene“ eher ein Tabuthema als ein zeitgemäßer Diskussionsgegegenstand. Marchner in seinem Text:
>>Wie wichtig – aber weitgehend unberücksichtig – eine Perspektive ist, die sich nicht nur auf urbane Räume/große Städte konzentriert, zeigt die reale Verteilung der Bevölkerung: In Österreich leben knapp 30% der Bevölkerung in Städten mit mehr als 30.000 BewohnerInnen. Dies bedeutet, dass Kulturentwicklung und die Förderung von zeitgenössischer Kunst und Kultur nicht nur in Ballungszentren, sondern auch dort erfolgen sollte, wo die anderen 70% leben.<<
Das betrifft genau jene Zonen, in denen wir hauptsächlich aktiv sind, wo sich seit Jahren eine zunehmende Landflucht durchsetzt und wo Funktionstragende der Kommunen momentan zu allerhand Formen der Schreckstarre neigen, da von der Landesebene her die Anforderung zu neuen Gemeindezusammenlegungen evident ist.
Das hat unter anderem den bedauerlichen Effekt, daß in der regionalen Politik kulturelle Vorstöße zur ortsübergreifenden Kooperation oft als angebliche „Vorboten“ der unerwünschten Gemeindezusammenlegungen gedeutet werden, was für zusätzliche Blockaden sorgt. Marchner zu diesen Terrains:
>>Und es sollten die Rahmenbedingungen und Kontexte mitbeachtet werden, in denen der Großteil der Bevölkerung nach wie vor lebt: in Kleinstädten und ländlichen Gemeinden, wenn auch forciert durch eine tendenzielle Abwanderung aus peripheren Gebieten (dazu zählt zum Beispiel die Bezirke Liezen und Murau) und durch ein Wachstum des Umlandes der Städte (zum Beispiel Gleisdorf). Dies bedeutet, dass eine erfolgreiche von Gegenwartskunst auch davon abhängt, inwiefern diese Bedingungen und Zugänge reflektiert und berücksichtigt werden.<<
Das sind für uns auch Denkanströße in einem aktuellen Prozeß, mit dem der Vorstand der hiesigen LEADER-Region eine breitere Beteiligung der Menschen erreichen möchte, auf daß sie Wege in die Zukunft mitgestalten mögen. Ich denke, wir Kulturschaffende sollten diesen Appell ernst nehmen. Dazu gibt es auch einen ineressanten Arbeitsauftrag an das „Institut für Systemwissenschaften, Innovations- & Nachhaltigkeitsforschung“ (Universität Graz), durch den wir anregende Informationen erhalten.
LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli hat mir eben die Auswertung des ersten Szenarien-Parcours überlassen. Zu den regionalen Gemeinden heißt es da: „Rücklauf zu gering (Trend)“. Ich schließe daraus, daß Funktionstragende der Kommunen momentan durchaus offene Ohren haben, wenn von der Basis her elaborierte Rückmeldungen kommen, wovon Prozesse handeln mögen und wohin sie zielen könnten. Da liegt also durchaus eine Chance für Kulturchaffende, das eigene Genre im regionalen Geschehen aufzuwerten.
[2050: übersicht]